Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Muslimischer Protest gegen den Westen Gewalt verblendet CARSTEN HEIL
Bielefeld (ots)
Nun richtet sich der Protest tausender Muslime auch gegen Deutschland. Gewalttätige Horden haben die deutsche Botschaft im Sudan gestürmt und in Brand gesteckt. Vielleicht war es nur Glück, dass keine Menschen verletzt oder sogar getötet wurden wie noch am Mittwoch in Libyen, wo der US-Botschafter und drei seiner Mitarbeiter vom tobenden Mob umgebracht wurden. Gegen alles, was westlich ist, richtet sich derzeit der Zorn junger Männer in der arabisch-muslimischen Welt. Schon ein kleines hirnloses Filmchen, im Internet veröffentlicht, führt dazu, dass der Nahe Osten wieder einmal in Brand gerät, die These vom Kampf der Kulturen wieder neue Nahrung erhält. Dabei sind die Länder, in denen die Unruhen erneut ausgebrochen sind, völlig unterschiedlich. So ist Ägypten seit Jahrhunderten eher national organisiert, Libyen und auch der Sudan eher tribal, also entlang von Stammesstrukturen. Auch sind die Muslime untereinander nicht einig. Das wird im aktuellen Krieg in Syrien sehr deutlich. Unterschiedliche Strömungen (Sunniten, Schiiten, Alawiten) bekämpfen einander mit vollkommen verschiedenen Zielen. Machtpolitisch und von der Stabilität her betrachtet, müsste der Westen Präsident Assad dankbar sein, dass er das Land zusammenhält. Wenn dessen Regime nicht so fürchterlich menschenverachtend wäre. Denn wenn sich das Assad-Regime auflöst, wird in Syrien noch größeres Chaos ausbrechen. Das einzige verbindende Element der muslimischen Gewalt ist die soziale Ausweglosigkeit der jungen Generation im gesamten muslimischen Raum. In Ägypten zum Beispiel ist etwa die Hälfte der Bevölkerung jünger als 18 Jahre alt - und meist ohne Arbeit. Die Perspektivlosigkeit einer kompletten jungen Generation ist kurz- und mittelfristig nicht zu beseitigen. Sie aber bietet den Nährboden für die Gewalt. Interessierte Kreise radikaler Islamisten und von Al Kaida müssen nur noch jene Lunte entzünden, die radikale christliche Kräfte im Westen mit Filmen und anderen Schmähungen des muslimischen Glaubens legen. Entsprechend sinnlos wäre es, jetzt mit Härte seitens des Westens zu reagieren. Gewalt erzeugt nur Gegengewalt und sie verblendet. Vernünftige islamische und christliche Organisationen rufen in Deutschland und international zum Frieden auf. Gut so. Der Papst besucht trotz der Unruhen den Libanon und nutzt seine Waffe: das Wort. Richtig. Auch wenn angesichts der eskalierenden Gewalt die Wut wächst, ist die doch kein guter Ratgeber. Insbesondere US-Präsident Obama muss kühlen Kopf bewahren, der Neigung im Wahlkampf militärische Stärke zu zeigen widerstehen. Angela Merkel hat nun als betroffene deutsche Kanzlerin das Recht, entsprechend auf ihn einzuwirken. Das ist kein Einknicken vor muslimischer Gewalt, sondern ein Gebot der Klugheit. Klare Worte an die Verantwortlichen im Nahen Osten, Kritik aber auch an den Elementen, die mit ihrem Film der Gewalt einen Vorwand geliefert haben, helfen in dieser Situation mehr als Säbelrasseln.
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