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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Neuordnung der Finanzwelt Europa muss agieren THOMAS SEIM

Bielefeld (ots)

In dieser Woche hat die EU Zypern gerettet. Das Wort von der Rettung schreibt sich allerdings nur widerwillig in den Leitartikel. Es gibt gute Gründe, damit zu zögern.</DC> Zunächst sind es die Kosten und Risiken, die deutsche Steuerzahler nun wieder übernehmen, die die Skepsis wachsen lassen. Dann machen auch die Wirkungen auf die Zyprer oder die Inhaber von Konten auf zypri-schen Banken kein gutes Gefühl. 20 Prozent, 40 Prozent, gar 80 Prozent - das waren die Zahlen, die man lesen konnte über die Kürzungen. De facto ist das eine Enteignung. Man wagt sich nicht vorzustellen, was vor den Türen unserer Sparkassen los wäre, wenn es hier nur den Hauch des Verdachts gäbe, man würde Ähnliches versuchen. Nicht anders ist die Situation auf Zypern. Davon zeugen die Bilder mit wütenden Demonstranten, die unserer Kanzlerin auf wenig schmeichelhaften Plakaten schon wieder das Hitler-Bärtchen ankleben. Dabei trifft es ja wohl zu, dass Merkel sich zwar hart gegenüber Zypern präsentiert. Aber allein ist sie damit nicht. Es hat selten eine so große Übereinstimmung der EU gegeben wie jetzt gegenüber Zypern. Der Grund dafür sind einerseits unverantwortliche Bank- und Geldstrategien des gespaltenen Inselreichs. Wichtiger noch sind die Gelder ausländischer Anleger, die ihre Investitionen durch Euro-Staaten absichern wollten. Gegen letztere hilft nur das geeinte Vorgehen der Euro-Staaten. Allein ist gegen solch eine Herausforderung nichts auszurichten. Der - in den Hitler-Vergleichen sich manifestierende - Vorhalt, Deutschland bewege sich erneut wie ein Hegemon, geht fehl. Deutschland ist ohne EU ein Zwerg, eine Nussschale in stürmischer See auf den ökonomischen Weltmeeren. Eine zweite Nachricht aus den Finanzmärkten macht das sehr deutlich. Die sogenannten BRICS-Staaten - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - wollen eine eigene Bank gründen und mehr Einfluss in den internationalen Geldinstitutionen. Noch sind sie sich nicht einig genug, um das abzuschließen. Aber nicht nur nach Expertenmeinung droht von dort ein Frontalangriff auf die Vorherrschaft von Euro und Dollar. Die globale Machtverschiebung mit einer Neuordnung der Welt ist in vollem Gange. Deutschland kommt darin nur als Teil Europas vor oder gar nicht. Das ist die Basis, auf der man über die Hilfsmaßnahmen für Griechenland, Zypern, Spanien, Portugal und wohl auch Italien entscheiden muss. Das wäre aber nur der Anfang. Europas Schwäche ist, dass es nur reagiert, nicht agiert. Die BRICS-Partner aber werden handeln. Das ist das größte Risiko für den europäischen Wohlstand, nicht die Rettung Zyperns. Vielleicht ist die bevorstehende Aufnahme Kroatiens in die EU ein Anfang, die eigene Handlungsfähigkeit wiederherzustellen. Ein Anfang, mehr nicht. Die Türkei müsste dringend folgen. Damit zu zögern ist kaum zu verantworten. Leider muss man befürchten, dass dies von den meisten unserer Politiker, die die EU lieber verkleinern würden, nicht gesehen wird. Das wäre ein Jammer.

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