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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Eingreifen in Konflikte Verantwortung CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots)

Eingreifen oder nicht? Wenn ja, dann stellt sich die Frage, wie! Mit Waffenlieferungen, wie es Russland gerade in Syrien mit fadenscheinigen Begründungen macht? Oder direkt mit Luftangriffen oder gar mit Bodentruppen? Der Syrienkonflikt, so viel steht fest, ist auf diese Weise nicht zu lösen. Aber einfach zuschauen, bis der Diktator Assad hunderttausende seiner Landsleute auf dem Altar seiner Macht geopfert hat? Oder bis die teils zweifelhaften Rebellen ihrerseits Tausende umgebracht haben? Danebenstehen und zusehen, wie der Konflikt, vor allem aber das syrische Volk langsam ausblutet? Hätte die NATO im Balkankrieg der 90er Jahre auch lediglich zugeschaut, statt einzugreifen, gäbe es dort unzählige Opfer mehr als sowieso schon. Der völkerrechtswidrige Einsatz - es gab kein UNO-Mandat - hat Leben gerettet. Leben zu retten war damals die Triebfeder für die rot-grüne Bundesregierung, als sie die Bundeswehr in diesen Krieg schickte. Wer eingreift, wird aber immer auch schuldig. Selbst wenn er es noch so gut meint: Er wird unschuldige Zivilisten treffen und eigene Soldaten opfern. In Libyen, in Mali war die Lage überschaubar. Aber Syrien? Da gibt es nichts zu gewinnen. Es ist legitim, dass Staaten eigene Interessen und Ziele verfolgen. In Libyen war es das Öl. Moralisch betrachtet, darf das aber nicht der Beweggrund für Hilfeleistung sein. Es geht in der Bewertung also erstens um den Grund des Eingreifens. Zweitens aber auch um das Ziel. Was will ich erreichen? Das ist der Unterschied zwischen Verantwortungsethik und Gesinnungsethik, wie Max Weber es beschrieben hat. Verfolgt die Staatengemeinschaft bei einem Eingreifen eigene Ziele? Welche? An dieser Stelle haben sich der Westen und vor allem die USA hinlänglich diskreditiert. Unter dem Deckmäntelchen der Humanität oder mit dem Ziel, Sicherheit zu schaffen, wurden mit militärischen Mitteln ökonomische oder machtpolitische Interessen durchgesetzt. Das macht unglaubwürdig. Webers Ansatz aus dem vergangenen Jahrhundert bleibt richtig. Zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik muss ein Ausgleich vorhanden sein, auch realpolitisch. Drittens geht es um die Erfolgsaussichten. Kann man etwas erreichen? Und kann man auch das dann möglicherweise Erreichte verantworten? Beide Fragen sind nur schwer zu beantworten. Und erst im Nachhinein. Hätten die Alliierten den deutschen Nazi-Wahn früher militärisch zu verhindern versucht, hätten die ihr Teufelswerk vielleicht nicht so weit treiben können. Aber erst als Hitler-Deutschland so mächtig wurde, dass es die Alliierten bedrohte, geschah etwas. Für Syrien bleibt unter Abwägung dieser Argumente Ratlosigkeit. Erstens: Egal, ob die Rebellen oder Assad den Kampf gewinnen - beide Aussichten sind erschreckend (Ziel). Zweitens: Syrien ist ökonomisch und geostrategisch nicht so wertvoll, dass sich ein Einsatz "lohnt" (Grund). Drittens: Die Erfolgsaussichten sind begrenzt. Es bleibt die humanitäre Verpflichtung. Ein Desaster.

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