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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Letzte Sondierungen der Union mit SPD und Grünen Auf der Zielgeraden THOMAS SEIM

Bielefeld (ots)

Am Ende dieser Woche werden wir klarer sehen, wer uns in den kommenden - vermutlich vier - Jahren regieren wird. Vieles spricht für eine große Koalition, auch wenn sich vor allem die SPD damit sehr schwer tut. Die wichtigsten Leitplanken für diese Entscheidung: 1. Staatspolitisch macht angesichts der Herausforderungen in der Finanz- und Europapolitik nur eine Koalition Sinn, die über eine stabile Mehrheit im Parlament und in der Länderkammer verfügt. Dies kann nach Lage der Dinge nur eine große Koalition sein. Andere Lösungen - etwa Schwarz-Grün mit der heimlichen SPD-Beteiligung per Bundesrat - wären eine unehrliche Verneinung dieser objektiven Zwangslage. 2. Inhaltlich sind Kompromisse leichter zu finden als behauptet. Die Klippe des Betreuungsgeldes zum Beispiel wäre zu umschiffen, wenn man den Ländern die Entscheidung über den Einsatz der Mittel überließe. Oder: Beim Mindestlohn ist die Berufung einer Kommission, die ihn festlegt, auf beiden Seiten akzeptabel. Da geht es vor allem um die Frage, wer in der Kommission sitzt und ob 8,50 Euro als Basis festgelegt werden. Letzteres wird der Preis der SPD sein. 3. Verfassungspolitisch ist die Kontrolle des Parlaments, in dem Linkspartei und Grüne allein gegen eine überwältigende Mehrheit stünden, leicht durch eine öffentliche Selbstverpflichtung von Union und SPD, Minderheitenrechte zu garantieren, sowie durch eine öffentliche Begleitung und Kontrolle durch die Medien zu gewährleisten. 4. Machtpolitisch wäre eine große Koalition ausgewogener, als Befürworter und Gegner derzeit zugeben. So könnten Union wie SPD bei Bedarf jeweils andere Mehrheiten im Parlament finden. Mindestens in der ersten Hälfte der Legislatur würde die SPD über ihre Vormachtstellung im Bundesrat nicht schwächer sein als die Union. Das würde für Disziplin sorgen. 5. Parteipolitisch liegt die größte Herausforderung in den Reihen der SPD. Sie müsste die Antwort auf die Frage finden, wie sie ihre Wählerschaft künftig wieder an sich binden kann, ohne in der großen Koalition zu verblassen. Diese Herausforderung allerdings hätte sie in der Opposition auch. Und vor allem: Die Gegner einer großen Koalition in der SPD blenden bislang aus, dass es auch die Option einer Neuwahl geben könnte. Was aber dann? Dann müsste vermutlich NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als die profilierteste Gegnerin einer großen Koalition als Spitzenkandidatin antreten. Das aber will Kraft gar nicht. 22 Tage nach der Wahl gehen die Sondierungen der Parteien heute auf die Zielgerade. Am Ende der Woche wird es Klarheit geben. Die weiteren Planungen könnten so gehen: Der zweite SPD-Konvent lässt am nächsten Sonntag unter anderem mit den Zusagen bei Mindestlohn und Betreuungsgeld die Aufnahme von förmlichen Koalitionsverhandlungen zu. Es folgen etwa sechs Wochen Verhandlungen. Zwei weitere Wochen bräuchte die SPD für einen Mitgliederentscheid. Also: Zu Nikolaus könnte die neue Regierung stehen.

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