Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Russland ist 2013 stärker geworden Putins Jahr THOMAS SEIM
Bielefeld (ots)
Das Jahr 2013 ist ein russisches Jahr. Präsident Putin treibt derzeit seine in Europäischer Union und NATO verbündeten westlichen Gegner ein ums andere Mal in immer wieder neue Sackgassen. Seine Diplomatie ist zynisch, gründet auf Erpressung und Gewaltandrohung. Aber sie weitet erfolgreich seinen Machtbereich aus. Dabei verhöhnt Putin alle demokratischen Prinzipien eines Rechtsstaates. Er setzt Greenpeace-Aktivisten, die gegen Umweltverbrechen auf russischen Ölbohrinseln protestieren, fest und bedroht sie wegen Rowdytums mit hohen Gefängnisstrafen. Dann lässt er sie nach und nach frei, ohne auf ihre Verfolgung zu verzichten, und lässt sich dafür feiern. Respekt vor den internationalen Gerichten lässt er dabei nicht erkennen. Oder: Der ukrainische Präsident Janukowytsch vollzieht unter der Drohung Russlands, ihn politisch mit einem Gegenkandidaten zu entmachten und zugleich die Ukraine von sicherer Energieversorgung abzuschneiden, eine dramatische diplomatische Wende und kippt das schon ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union. Im Kreml, so räumen kleinlaut die Diplomaten des Westens ein, werden zum Jahresende die Champagnerkorken knallen. Der Grund dafür liegt indes weniger in den russischen Stärken als in den desaströsen außen- und innenpolitischen Aktionen des Westens, insbesondere des amerikanischen Präsidenten Obama. Das Ausmaß des Versagens wird in Marksteinen dokumentiert: 1. Der Snowden-Komplex. Ein aus dem Ruder gelaufener Computeradministrator richtet größtmöglichen politischen Schaden an. Ganz gleich, ob es um das Abhören des Handys der Bundeskanzlerin geht oder um das fragwürdige Verhalten der NSA im Umgang mit unkontrollierter Dateispeicherung: der Ruf der USA als Mutter von Demokratie und Freiheit ist ruiniert. Fast noch schlimmer aber ist, dass die USA offenbar nicht mal mehr in der Lage sind herauszufinden, ob jemand und - wenn ja - wer hinter Snowden steckt. Die USA als Überwachungsstaat, der nicht mal richtig für seine eigene Sicherheit sorgen kann. 2. Der Syrienkonflikt. Selten hat man eine US-Administration außenpolitisch stümpern sehen wie in diesem Jahr in Syrien. Schon die Formulierung von der "roten Linie", die der US-Präsident im Zusammenhang mit dem Einsatz von Giftgas verwendete, war ein schwerer Fehler, weil er die Entscheidung über das Engagement der USA in die Hand des syrischen Kriegsverbrechers Assad verlegte. Dass dann aber der US-Außenminister mit einer leichtfertigen Pressekonferenz Putin und Russland die Chance zu einer erfolgreichen Friedensinitiative auf dem Goldtablett überreichte, das offenbarte in erschreckender Weise die Unbedarftheit der Obama-Regierung. 3. Afghanistan. Präsident Karsai hat kurzerhand das Abkommen mit den USA über die Zusammenarbeit nach dem Abzug auf 2014 verschoben. Dann wird der afghanische Präsident neu gewählt. Die Frage, wie lange die US-Truppen dann noch im Land bleiben dürfen oder müssen - ist unbeantwortet. Für die USA ein völlig unklarer Wechsel auf die Zukunft. 4. Die Türkei als zentrale Südostflanke der NATO wendet sich zunehmend von der EU ab und Russland sowie dem Nahen und Mittleren Osten zu. Die Europäische Union hat darauf in den Beitrittsverhandlungen keine Antwort. Und die USA für die NATO ebenfalls nicht. Die Schwäche der USA, auch begründet in der innenpolitischen Spaltung des Landes, und des Westens insgesamt - darin liegt die russische Stärke begründet, die Putin derzeit zynisch, aber mit Machtgewinn ausspielt. Der russische Präsident präsentiert sich als erfolgreicher Führer, und der Westen steht mit leeren Händen da, nicht nur in der Ukraine. Das Jahr ist - leider - russisch.
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