Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Weihnachten 2014 Bescheidenheit und Demut sind gefragt Carsten Heil
Bielefeld (ots)
Zwei Eigenschaften geraten überraschend zu Weihnachten 2013 in den Mittelpunkt des Nachdenkens. Es ging in diesem Jahr nicht allein um Ichlinge und Egoismen, um Durchboxen und Rücksichtslosigkeit. Jedenfalls nicht nur. Bescheidenheit und Demut sind die Begriffe des Jahres. Wer weder das eine noch das andere übte, ging unter, wer sich zurückhielt, Armut und die Hinwendung zu den Armen der Welt nicht nur predigte, sondern auch versuchte zu üben, wurde plötzlich zum Helden. Und wer mit seinen Wünschen und Vorstellungen nicht so durchdrang wie erhofft, sollte darüber nachdenken, ob er nicht mit Bescheidenheit, Demut und Hilfsbereitschaft weiter gekommen wäre. Als Papst Franziskus am 13. März auf dem Stuhle Petri Platz nahm, konnte niemand ahnen, dass mit ihm die biblische Botschaft, der Kern des weihnachtlichen Evangeliums, so radikal wieder in den Mittelpunkt des Denkens der katholischen Kirchenspitze gestellt werden würde. Der Sinn von Weihnachten, von Krippe und Stall ist nach christlichem Verständnis die Hinwendung Gottes zum armen und leidenden Menschen als Einzelperson, aber auch zur gequälten Menschheit insgesamt. Mit Zurückhaltung, Bescheidenheit und Demut und weniger Protz versucht Franziskus die Kirche nun zu führen. Und erntet überall Anerkennung und Zustimmung. Aber es ist nicht die Kirche allein, die darüber nachdenken sollte. Es lohnt sich, einen Gedanken darauf zu verwenden, dass die FDP bei der Bundestagswahl im September möglicherweise nicht so brutal abgestraft worden wäre, wenn sie etwas mehr Demut gegenüber dem Wähler gezeigt hätte und bescheidener mit dem damaligen Superergebnis umgegangen wäre. Die brüllende Überheblichkeit der Liberalen nach dem grandiosen Wahlerfolg 2009 mit 14,6 Prozent war so unerträglich, dass sich die Menschen eine Wiederholung 2013 ersparen wollten. Sie zwangen die FDP-Politiker in diesem Jahr dazu, etwas demütiger und bescheidener zu sein. Den Grünen erging es immerhin geringfügig besser, aber auch nicht wirklich gut. Sie waren ob ihrer guten Umfragewerte zu Beginn des Jahres so übermütig und selbstverliebt, dass sie sich gar nicht mehr um die Lebenswirklichkeit der Menschen scherten. Steuererhöhungen, Beitragsanhebungen, vorschreiben, was die Menschen essen, wie sie leben sollen - kurz mangelnde Demut - ließen auch sie bei der Wahl abstürzen. Da kommt ein Buch des US-amerikanischen Psychologen und Managementprofessors Adam Grant gerade recht: "Geben und Nehmen - erfolgreich sein zum Vorteil aller" heißt das Werk und ist im Oktober 2013 erschienen. Darin beschreibt Grant, dass hilfsbereite Menschen, jene also, die ohne die Erwartung von Gegenleistung geben, es auf der Karriereleiter oft bis nach ganz oben schaffen. Nicht die Ellenbogen, sondern die Hand zu reichen sei angesagt. Und das ohne Hintergedanken. Das ist in jedem Büroalltag, an jedem Arbeitsplatz richtig. Leider nicht überall zu finden. Auf den Nächsten orientiert zu leben kann auf der langen Strecke auch für den Gebenden zum Vorteil werden. "Geben ist seliger denn Nehmen" ist eine Botschaft aus dem Neuen Testament, die zum Weihnachtsfest passt. Das kann auch zu Nachdenklichkeit in der Eurokrise führen. Wenn Deutschland andere Länder leben lässt, sie in Maßen unterstützt, kann das in der Zukunft auch für die Deutschen hilfreicher sein, als krampfhaft jeden Cent festzuhalten. Sowohl wirtschaftlich als auch was das europäische Friedenswerk angeht, kann Deutschland Sympathien und eigenes Wohlergehen gewinnen, wenn es bescheidener auftritt, ohne freilich das Geld unkontrolliert zum Fenster hinauszuwerfen. So kann die Politik, so können alle vom zurückhaltenden, bescheidenen und demütigen Auftreten, Predigen und Handeln des in diesem Jahr gewählten Papstes lernen.
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