Neue Westfälische (Bielefeld): Die Aufgaben der neuen Bundesregierung Groß und klein ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Große Koalition bedeutet die Erledigung großer Aufgaben, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt. Existieren sie wirklich, die zukunftsweisenden Projekte, die diesem Elefantenbündnis aus Union und SPD den übergeordneten Sinn verleihen? Ja, einige Leuchttürme ragen heraus. Auch wenn Wünsche bei Bildung und Verkehrsinfrastruktur im üblichen Klein-Klein steckengeblieben sind. Die innenpolitisch wichtigsten Vorhaben sind in den sozialdemokratischen Ministerien konzentriert. Als erste Bundesregierung nimmt die GroKo die Energiewende wirklich ernst. Zuvor waren die Zuständigkeiten auf das Wirtschafts- und das Umweltministerium aufgeteilt. Erbitterte Rivalitäten und politischer Stillstand waren die Folge. Die Gegnerschaft zwischen Philipp Rösler und Peter Altmaier in der schwarz-gelben Koalition war lähmend - und im Prinzip nichts Neues. In der rot-grünen Ära hatten sich schon der grüne Umweltminister Jürgen Trittin und der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Wolfgang Clement gegenseitig ein Bein gestellt. Jetzt hat SPD-Chef Sigmar Gabriel unumstritten den Hut auf. Barbara Hendricks als Umweltministerin wird ihm bei der Energiewende keine Steine in den Weg legen. Gabriel darf nun Ökologie und Ökonomie versöhnen: Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll weitergehen - aber möglichst da, wo sie günstig produziert, in funktionierende Netze eingespeist und mit Gewinn verkauft werden können. Indus-trierabatte dürfen nicht mehr wahllos an Hähnchenbratereien und Golfplätze verschleudert werden - aber wer sich als Unternehmen im internationalen Wettbewerb behauptet, soll auch weiterhin von Vergünstigungen profitieren. Gefragt ist eine Politik, die weder dem Drängen der Kohlelobby noch dem Druck der Solar- und Windbranche nachgibt. Jeder Schritt Gabriels wird auch deshalb aufmerksam beäugt werden, weil er als natürlicher Kanzlerkandidat der SPD für 2017 gilt. Für die SPD dürften sich die klaren Verhältnisse als Segen erweisen. Aufreibende Ausscheidungskämpfe bleiben der Partei erspart. Der zweite Politikwechsel, den die Regierung verspricht, ist die Aussicht, dass die Menschen wieder von ihrer Hände Arbeit leben können. Auch das ist Sache der SPD. Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles kommt mit der Umsetzung des Mindestlohns eine Schlüsselstellung zu. Die Zustimmung der Genossen zum Koalitionsvertrag ist mit diesem Projekt und den ebenfalls vom Arbeitsministerium verantworteten Rentenplänen verbunden. Das muss alles bilderbuchreif gelingen, um die anspruchsvolle SPD-Basis dauerhaft zu befrieden. Das öffentliche Interesse an der Großen Koalition speist sich indes aus anderen Quellen. Wie sich Ursula von der Leyen in das verminte Gelände der Sicherheitspolitik und Rüstungsbeschaffung einarbeitet, erheischt schon jetzt allerhöchste Aufmerksamkeit und wird zweifellos zum Dauerbrenner. Die Außenpolitik gewinnt an Bedeutung. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird zwar auf europapolitischem Feld weiterhin den Ton angeben, aber Außenminister Frank-Walter Steinmeier gibt sich anders als sein Vorgänger nicht mit einer Statistenrolle zufrieden. Und auch von der Leyen wird auf dem Feld der globalen Interessenpolitik ein Wörtchen mitreden wollen. Die CSU ist bundespolitisch gestutzt. Wie Alexander Dobrindt versucht, die "Ausländer-Maut" einzuführen, sollte man sich aber trotzdem nicht entgehen lassen. Dabei wäre es angemessener, eine generelle Maut einzuführen. Der Investitionsstau in der Verkehrsin-frastruktur bleibt gigantisch. Da nehmen sich die Vorhaben des Koalitionsvertrags zu kleinmütig aus. Auch in der Bildung ist kein Leuchtturm zu entdecken. Dass das Kooperationsverbot überdauert, ist eine echte Schwäche. Und auf eine natio-nale Anstrengung zur Förderung von Ganztagsschulen wartet man vergeblich.
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