Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Gauck, Polen und Russland Etwas mehr Fingerspitzengefühl BERNHARD HÄNEL
Bielefeld (ots)
Selten war das Verhältnis zwischen Polen und Deutschland so gut wie dieser Tage. Deutlich wurde dies bei der Gedenkfeier auf der Westerplatte, wo Polen alljährlich des deutschen Überfalls gedenkt. Weit mehr als nur symbolisch war die Umarmung von Bundespräsident Joachim Gauck und seinem polnischen Kollegen Bronislaw Komorowski. Angesichts der Ukraine-Krise und der nach polnischer Wahrnehmung restaurativen Politik Russlands rückt Polen noch näher an seinen westlichen Nachbarn heran. Gauck hat nicht nur Verständnis für polnische Ängste, er teilt sie weitgehend. Auch er wünscht sich nicht nur eine stärkere deutsche Außenpolitik, sondern auch eine neue Rolle der Militärs. Nicht zum ersten Mal. Und erneut hagelt es Kritik; bei weitem nicht nur von der Linken. Der Präsident will eine Debatte führen, die weder Regierung und Bundestag noch die Bevölkerung für notwendig erachten. Zweifellos ist die Diskussion über die Rolle Deutschlands in der Welt notwendig. Das erwarten die Bündnispartner ebenso wie die Vereinten Nationen. 25 Jahre nach der Wiedervereinigung und der damit verbundenen Souveränität ist sie unvermeidlich. Doch muss sie mitten in der schwersten Krise seit dem Ende des Kalten Krieges geführt werden? Und ist der Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs der richtige Zeitpunkt? Natürlich nicht. Etwas mehr Fingerspitzengefühl gegenüber Russland wäre angesagt gewesen. Selbst im Moment, da Russlands Präsident im Osten Europas zündelt. Immerhin waren 20 Millionen Sowjetbürger Opfer des von Deutschen entfesselten Völkergemetzels geworden. Zumal die Dinge für die besorgten Polen ebenso klar liegen wie für die baltischen Staaten. Sie stehen unter dem Schutz des westlichen Verteidigungsbündnisses wie vor 25 Jahren des Bundesrepublik. Angesagter wäre ohnehin präsidiales Nachdenken darüber, wie der Konflikt in der Ukraine nicht stetig weiter eskaliert. Dafür hätte es keinen besseren Ort gegeben als die Westerplatte.
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