Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Angela Merkels Kampf für den Frieden in der Ukraine Die Weltpolitikerin Alexandra Jacobson, Berlin
Bielefeld (ots)
Schon ihr physischer Einsatz in diesen dramatischen Zeiten nötigt allen Respekt ab. Einen Flugmarathon um die Welt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Tagen ab 6. Februar hingelegt - von Berlin nach Moskau, von Moskau nach München, zurück nach Berlin, dann nach Washington und Ottawa, zurück nach Berlin, anschließend nach Minsk, zurück nach Berlin, dann nach Brüssel. Weltpolitik ohne die deutsche Bundeskanzlerin ist in diesen Tagen nicht möglich. Und, ohne den Einsatz des französischen Präsidenten François Hollande kleinzureden, wäre es undenkbar gewesen, dass in Minsk die Vereinbarung ohne Beteiligung der Regierungschefin aus Berlin zustande kommt, ohne ihre Erfahrung, ihr Verhandlungsgeschick, ihr Einfühlungsvermögen und ihre genaue, aus unzähligen Gesprächen resultierende Kenntnis des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Noch ist es nicht klar, ob Minsk tatsächlich der Anfang einer Waffenruhe für die Ostukraine bedeutet. Wäre das der Fall, dann hätte Europa es tatsächlich geschafft, einen Konflikt um Krieg und Frieden alleine zu lösen, ohne direkte Beteiligung der USA. Dass Europa seine Brandherde alleine löscht, wäre eine Premiere. Dabei hat sich Merkel keineswegs in eine scharfe Abgrenzung zur US-Regierung begeben. Präsident Obama hat sie in Washington darin unterstützt, es weiter mit einer Verhandlungslösung zu versuchen. Er gehört nicht zu den Falken in den USA, die meinen, dass eine Aufrüstung Kiews die Dinge zum Besseren wenden könnten. Merkel weiß, dass militärische Drohungen Putin nicht beeindrucken können, schließlich ist das Militärische das einzige Gebiet, auf dem das ökonomisch schwache Russland mit den USA mithalten kann. Außerdem würden US-amerikanische Waffenlieferungen Putins Paranoia, vom Westen bedroht und umzingelt zu sein, noch verstärken. Merkel und Hollande sind Putin in Minsk auf Augenhöhe begegnet, haben ihm weitgehende Zugeständnisse gemacht. Das hat auch bittere Seiten, vor allem für den ukrainischen Präsidenten Poroschenko. Die Ukraine ist nicht mehr Herr im eigenen Haus. Die Vereinbarung von Minsk segnet diesen Zustand ab. Nicht nur Engelsgeduld und langer Atem sind Wesensmerkmale der Merkel'schen Diplomatie, sondern auch die schmerzhafte Konfrontation mit der Wirklichkeit. Kiew verfügt über keine Möglichkeiten, die von Russland hochgerüsteten Separatisten loszuwerden. Mehr als ein Einfrieren des Konflikts ist nicht drin. Dass Poroschenko diese Realitäten akzeptiert hat, war eine wichtige Voraussetzung für das Abkommen. Merkel setzt nicht auf Maximalforderungen, sondern auf das Machbare. Dass nun alle Seiten im Gespräch sind und Putin zum Schluss die Separatisten zum Einlenken bewegte, gibt ihr recht - und auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der in seinen eigenen unermüdlichen diplomatischen Bemühungen gemeinsam mit Merkel an einem Strang gezogen hat. Die Bundeskanzlerin neigt nicht zum Triumphieren, das ist ihr wesensfremd. Und schließlich kennt noch niemand das Ende der Geschichte, die in diesen Tagen in Minsk ihren Anfang fand. Doch es könnte sein, dass Angela Merkel in der vergangenen Woche endgültig ihren Platz in den Geschichtsbüchern gefunden hat. Als Bundeskanzlerin, die nichts unversucht ließ, um den Frieden in Europa wiederherzustellen und Russland einen Weg aus seiner Isolation zu ebnen.
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