Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Bahn-Tarifstreit Alles oder nichts Wolfgang Mulke, Berlin
Bielefeld (ots)
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) droht einmal mehr mit einer Eskalation des Tarifstreits mit der Bahn. Womöglich schon an diesem Donnerstag könnte ein mehrtägiger Streik den Schienenverkehr weitgehend zum Stillstand bringen. Die GDL setzt die Fahrgäste als Druckmittel ein, um ihren Anspruch auf eine Ausweitung ihrer Verhandlungsmacht auf weitere Berufsgruppen zu untermauern. Juristisch lässt sich ein weiterer Arbeitskampf nicht beanstanden. Doch in der Sache hat sich GDL-Chef Claus Weselsky verschätzt und vielleicht auch mächtig verhoben. In der Kernforderung beharren die Arbeitgeber auf der Tarifeinheit im Betrieb. Für jede Berufsgruppe soll nur ein Tarifvertrag gelten. Weselsky will das Recht auf zusätzliche eigene Verträge für das Zugpersonal erzwingen. In der letzten Gesprächsrunde haben die Arbeitgeber Weselsky den roten Teppich für einen Kompromiss ausgerollt. Danach hätte die GDL wie gewünscht auch für die Schaffner und andere einen Flächentarifvertrag ausgehandelt. Nur der Haustarif beim Konzern müsste dann gemeinsam mit der anderen Bahngewerkschaft ausgehandelt werden. Dann wäre der GDL-Chef zwar geschlagen, weil der Haustarif der wichtige ist, aber er könnte es nach außen als Erfolg verkaufen. Doch mit halben Sachen gibt sich die GDL nicht zufrieden. Sie will alles oder nichts, also auch beim Haustarif ihr eigenes Ding durchziehen. Dafür will Weselsky seine Lokführer in einen langen Streik schicken. Den Bahnkunden stehen nervende Zeiten ins Haus. Denn auch nach diesem Ausstand wird sich in der Frage der Tarifeinheit nichts mehr bewegen. Dann wird sich zeigen, wie viel Rückhalt die Gewerkschaftsspitze in den eigenen Reihen hat. Mit genügend Rückendeckung kann der Arbeitskampf noch lange dauern. Ohne gerät Weselsky wohl bald unter Druck der eigenen Leute, die endlich Gespräche über mehr Geld und bessere Arbeitszeiten sehen wollen, statt für Machtfragen streikbedingte Einkommenseinbußen hinzunehmen.
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