Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Tröglitz kann Schutz von Flüchtlingen nicht mehr gewährleisten Ein Landrat funkt SOS MATTHIAS BUNGEROTH
Bielefeld (ots)
Seien wir ehrlich: Wer in Ostwestfalen-Lippe kannte vor dem Monat März die 2.700 Einwohner zählende Ortschaft Tröglitz in Sachsen-Anhalt? Wohl kaum jemand. Doch seit dem Rücktritt des ehrenamtlichen Ortsbürgermeisters Markus Nierth steht die Gemeinde Woche für Woche fast täglich in den Schlagzeilen. Es geht vordergründig um die Unterbringung von 40 Flüchtlingen und rechtsradikale Umtriebe, die dieses dort mit aller Macht verhindern wollen. Doch es geht auch um die Kultur des Miteinanderredens. Denn radikale Kräfte nehmen in der Regel griffige Argumente und Ängste aus der Bevölkerung auf, um sie für ihre politischen Zwecke zu nutzen. Warum bekommen Flüchtlinge in Deutschland mit dem Tag ihrer Ankunft hier automatisch ein ordentliches Quartier zugewiesen, während einheimische Arbeitslose oder Hartz-IV-Empfänger Probleme haben, eine adäquate Wohnung zu finden und bezahlen zu können? Welche Flüchtlinge kommen überhaupt zu uns? Geht von ihnen Feindseligkeit oder sogar Kriminalität aus? Das sind Fragen, auf die radikale politische Kräfte eine einfache Antwort haben: "Wir dulden diese Menschen hier nicht." Damit stoßen sie bei einigen auf offene Ohren. Nur ein ständiger Dialog über Jahre hinweg kann Missverständnisse und Vorurteile abbauen und dem Grundrecht, auf das sich alle Flüchtlinge mit Recht berufen, die notwendige Geltung verschaffen. Nun funkt der zuständige Landrat Götz Ulrich, selbst unter Polizeischutz und von rechten Chaoten mit Morddrohungen überzogen, SOS. Er könne den Schutz der Flüchtlinge nicht mehr gewährleisten, sagt er. Dieser Satz kommt einer Bankrotterklärung des Rechtsstaats gleich. Doch er muss auch Ansporn für alle demokratischen Kräfte sein, sich diesem Problem nun in einem öffentlichen Diskurs ernsthaft zu stellen. Nicht nur in Tröglitz, sondern überall. Die Probleme aus Gründen falsch verstandener politischer Korrektheit einfach als nicht existent zu bezeichnen hilft keinen Schritt weiter.
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