Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Gewalt gegen Flüchtlinge Unangenehme Wahrheit Carsten Heil
Bielefeld (ots)
Empörung wurde genug geäußert. Die Vorfälle in Sachsen Ende der vergangenen Woche lösen zu Recht Abscheu und Empörung aus. Abscheu und Empörung allein reichen jedoch nicht, wenn die deutsche Gesellschaft mit dem zunehmenden Rassismus und Rechtsradikalismus im Land klar kommen will. Das geht nur mit Konsequenz und Wahrheit. Sonst bleibt es bei Ritualen. Zur Konsequenz: Die bleibt meist auf der Strecke. Es ist beispielsweise unfassbar, dass die fast fertige Flüchtlingsunterkunft im sachsen-anhaltinischen Tröglitz nun doch nicht von Asylbewerbern bezogen werden soll. Jene Brandstifter, die das Gebäude Ostern 2015 angezündet haben, müssen sich bestätigt fühlen. Sie haben ihr Ziel erreicht. Ein Täter ist bis heute nicht dingfest gemacht und verurteilt worden. Auch die Pöbelmeute in Clausnitz hat letztlich ihr Ziel erreicht. Die Polizei des Freistaates Sachsen war entweder nicht willens oder nicht in der Lage, das Platzverbot gegen die Täter durchzusetzen und vergriff sich lieber an den Opfern. Wie viele der 118 Straftaten gegen Asylunterkünfte seit Anfang des Jahres wurden aufgeklärt? Mit welcher Intensität wird gefahndet und welche Strafen drohen wirklich? Womit das Thema Wahrheit in den Blick kommt: Wir müssen erkennen, dass mehr Menschen in unserem Land rechtsextrem denken, als wir es uns über viele Jahre eingestehen wollten. Und wir müssen zugeben, dass dieses Gedankengut in Ostdeutschland noch tiefer verwurzelt und weiter verbreitet ist als im Westen. Schulterzuckend haben alle Beteiligten zur Kenntnis genommen, dass die NPD zehn Jahre im sächsischen Landtag saß. Gleichgültig haben wir beobachtet, dass es im Osten Regionen gibt, die ein ausländisch aussehender Mensch besser nicht betritt. Der Staat hat nicht gegengehalten, wie es seine Aufgabe wäre. Im Gegenteil: Die Landesregierung in Dresden hat verharmlost. Damit wird die rechte Szene ermutigt. Schließlich muss die Frage gestellt werden, wie weit rechts die staatlichen Institutionen wirklich schon sind. Ein Flüchtlingsheim-Leiter, der Mitglied bei der AfD ist, gibt Hinweise auf die Antwort. Es ist zu fürchten, dass die Wahrheit an dieser Stelle äußerst unangenehm ist.
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