Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Studie "Regretting Parenthood" Hauptsache: Kinder wegorganisieren Anneke Quasdorf
Bielefeld (ots)
Auch deutsche Eltern bereuen es, Kinder bekommen zu haben. So das Ergebnis der Studie "Regretting Parenthood". Sie ist das deutsche Pendant zu Orna Donaths Veröffentlichung "Regretting Motherhood" aus Israel, die 2015 für Aufruhr sorgte. Die Wirkung der deutschen Umfrage dürfte ähnlich sein. Denn sie wird immer bestürzender, je mehr man sie verkürzt: Eltern würden ihre Kinder nicht noch einmal bekommen, weil diese der Selbstverwirklichung im Weg stehen. Wie im Fall Donath wird auch hier die Kritik laut werden, ob man dieses Tabu wirklich brechen darf. Das wirklich Niederschmetternde ist aber nicht der Tabubruch der Eltern, sondern ihre Lösung für das Dilemma: mehr Kinderbetreuung. Und das Problem ist die Begeisterung, mit der sich die Öffentlichkeit auf diesen Vorschlag stürzen wird. Denn die gesamte Debatte über Vereinbarkeit von Kind und Beruf ist ausschließlich auf Geburtenrate, Frauenrechte und Kitaplätze fokussiert. Es geht um Home-Office, um Betriebskindergärten, um Mütter, die zerrieben werden zwischen Job, Kind und Haushalt. Es geht sogar um Väter, die sich vor die Herausforderung gestellt sehen, Ernährer, Ehemann und liebevoller Vater zugleich zu sein. Wer in diesem Diskurs nicht stattfindet, sind die Kinder. Die werden wegorganisiert in 45-Stunden-Plätze und demnächst vielleicht noch in 24-Stunden-Wochenend-Kitas. Sie müssen schon genauso in der Tretmühle funktionieren wie ihre Eltern. Ihre Bedürfnisse und Ansprüche sind in unserer Leistungs-Gender-Gesellschaft einfach nicht relevant. Zur Klarstellung: Wir reden hier nicht darüber, dass Frauen das Recht auf Beruf und Karriere haben. Wir reden auch nicht darüber, dass es Familien gibt, in denen beide Elternteile Vollzeit arbeiten müssen, damit sie über die Runden kommen. Und wir reden auch nicht über Rabeneltern, wenn Kinder außerhäusig betreut werden. Worüber wir reden müssen, sind neue Fragen. Was das Wohl des Kindes zählt, etwa. Ob die Bereitschaft zum Verzicht nicht zur Entscheidung für ein Baby dazugehört. Und ob es in unserem Land nicht nur genug Freiheit gibt, um nachher anonym zu verkünden, dass man besser kein Kind bekommen hätte. Sondern auch genug Freiheit, um im Vorfeld selbstbewusst zu entscheiden, dass man erst gar keins haben will. Und dafür nicht verurteilt zu werden.
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