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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar EU-Beitritt der Türkei Trauerspiel Knut Pries, Brüssel

Bielefeld (ots)

Günter Verheugen, einst Kommissar für EU-Erweiterung, wies gern darauf hin: Der Ausdruck "Beitrittsverhandlungen" entspricht nicht der Realität. Viel zu verhandeln gibt es da nicht. Es geht nicht um einen Deal, sondern um die Übernahme zehntausender Vorschriften und Regeln, auf die sich die EU im Laufe der Zeit verständigt hat. Der Kandidat kann nicht entscheiden, welche Teile er sich zu eigen macht und welche nicht. Grundsätzlich ist das, was die EU ihren Besitzstand nennt, ein Pflichtenbuch. Ankara hat das nie wahrhaben wollen. Vor allem Präsident Erdogan zieht es vor, seiner Bevölkerung weiszumachen, die EU sei arrogant, wenn sie Anforderungen formuliere oder gar "rote Linien" ziehe. Nein - die Haus- und Geschäftsordnung der EU besteht aus lauter roten Linien. Die Türkei ist freilich völlig frei, ob sie sich dem anschließen will oder nicht. Aus dieser Verantwortung sollte man sie nicht entlassen. Auch nicht durch Abbruch der sogenannten Verhandlungen, die Erdogan nur zu gern provozieren würde. Die Aussetzung der Gespräche, wie sie das Europa-Parlament ins Auge fasst, ist hingegen eine angemessene Reaktion auf die Demontage von Demokratie und Rechtsstaat in Erdogans Reich. Die EU ihrerseits hat sich der fortgesetzten Heuchelei schuldig gemacht. Sie hat Gespräche über Beitritt geführt, zugleich haben maßgebliche EU-Regierungen, Deutschland und Frankreich vorneweg, klar gemacht, dass sie auch eine Türkei, die die Bedingungen erfüllt, nicht im Club haben wollen. Es ist ein Trauerspiel - mit mehr als einem Schwarzen Peter.

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