Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Bausparkassen-Urteil Nachvollziehbar Wolfgang Mulke, Berlin
Bielefeld (ots)
Für viele Bausparer ist es mit einer gut verzinsten Geldanlage vorbei. Der Bundesgerichtshof hat dafür ein wegweisendes Urteil gesprochen. Für die Betroffenen ist es zwar bedauerlich, doch ist die Entscheidung der höchsten Richter nachvollziehbar. Vereinfacht gesagt: Bausparen ist zum Bauen da und nicht zum Sparen. Eine Lücke im Konstrukt der Verträge hat das Grundprinzip des Bausparens ausgehebelt, weil es eine lang anhaltende Niedrigzinsphase gibt. Das von den Kunden angesparte Geld kann lange gut verzinst bei der Bausparkasse liegen, ohne das das bereits zugeteilte Darlehen auch abgerufen wird. Da die Bauzinsen extrem niedrig sind, können sich Haus- oder Wohnungskäufer auch bei anderen Banken bedienen und das Ersparte gewinnträchtig auf Kosten der Bausparkasse arbeiten lassen. Das bringt die Branche in Schwierigkeiten, weil sie die versprochenen Zinsgutschriften gar nicht mehr selbst erwirtschaften können. Deshalb haben die Unternehmen Hunderttausenden Kunden die Verträge gekündigt. Die Richter billigen dies, weil viele Kunden ihren Bausparvertrag zweckentfremden. Die Bausparkassen kommen so mit einem blauen Auge davon. Moralisch verdient haben sie es nicht. Denn die Werbung der Unternehmen zielte in der Vergangenheit oft auch auf die gute Verzinsung der Spargroschen ab. Da war keine Rede davon, dass es nur um spätere Darlehen für die Finanzierung des Eigenheims geht. Es war auch keine Rede davon, sich dem Versprechen einer dauerhaft festen Verzinsung zu entziehen. Ungeschoren kommt die Branche zum Glück auch nicht davon. Denn über einen gewissen Zeitraum müssen sie für ihre Renditeversprechen auch gerade stehen, nur eben nicht ewig. Damit lässt es sich leben. Nun müssen sich auch jene Bausparer auf eine Kündigung ihres Vertrages einstellen, die bislang noch nicht betroffen sind, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Weitere Klagen dagegen wird der BGH kaum anders entscheiden. Die Kritiker der Rechtsprechung sollten sich mit dem Vorwurf einer verbraucherfeindlichen Entscheidung zurückhalten. Es waren über Jahrzehnte auch die Bausparkassen, die Haushalten mit nicht sehr hohen Einkommen die Finanzierung eines Eigenheimes ermöglichten. Das System ohne große Not aufs Spiel zu setzen, und das wäre die Alternative, könnte diesem Angebot den Garaus bereiten. Das wäre schlecht. Denn sollte sich das Zinsniveau wieder einmal in die andere Richtung bewegen, wird der Bedarf an kollektiv ersparten Darlehen schnell wieder wachsen.
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