Neue Westfälische (Bielefeld): Geplanter Wahlkampfauftritt von Erdogan in Deutschland Im Zweifel reden lassen Florian Pfitzner, Düsseldorf
Bielefeld (ots)
Schon allein die Vorstellung ist nur schwer zu ertragen, aber man muss wohl davon ausgehen, dass sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Chance nicht nehmen lässt: Irgendwann im März wird er voraussichtlich wieder in einer der großen nordrhein-westfälischen Veranstaltungshallen auftauchen, um in gewohnter paternalistischer Art für die Verfassungsänderung in der Türkei zu trommeln. Er dürfte seinen Gastauftritt unter dem Gejohle seiner Gefolgschaft zu einer Machtdemonstration gegenüber der Bundesregierung erheben, europäische Journalisten als Lügner hinstellen und Verschwörungstheorien verbreiten, von Feinden der Türkei schwadronieren, von düsteren fremden Mächten. Käme es so, wäre dies nach dem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim im Ruhrgebiet bereits der zweite Affront innerhalb kurzer Zeit. In der Veranstaltung in Oberhausen vorige Woche sehen einige den Auftakt in den türkischen Wahlkampf. Vor der großen Show haben Sicherheitsleute deutsche Reporter an der Tür abgewiesen, weil sie auf roten Listen standen - mutmaßlich im Auftrag der Union Europäisch-Türkischer Demokraten, kurz UETD, die Yildirim eingeladen hat, und die sich sonst als Versöhnerin gibt. Nun fragen sich hiesige Politiker, ob und inwiefern sich ein Besuch des türkischen Staatschefs Erdogan bei seinen Freunden von der UETD verhindern lässt. Rechtlich stünde man da auf ziemlich dünnem Eis. Überhaupt ist es zweifelhaft, ob ein juristischer Kniff, der womöglich zu einem Auftrittsverbot des Autokraten aus Ankara führen würde, so ratsam wäre. In Deutschland gibt es viele junge Deutsch-Türken in zweiter, dritter Generation, die jahrelang mit Politik nichts am Hut hatten, kaum Türkisch sprechen - und sich plötzlich von Erdogan mitreißen lassen. Häufig fühlen sie sich bei uns mit ihren Fragen kaum ernst genommen, mitunter fehlt ihnen die Aussicht auf ein gutes Leben. Erdogan setzt ganz auf Polarisierung: wir gegen die. Verhindert man seinen Auftritt, zieht er sich in seine Paraderolle des in die Ecke Gedrängten zurück. So liefen nur noch mehr Menschen in seine Arme. Den Gefallen sollte man ihm nicht tun.
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