Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Annäherung an die nächste GroKo Der letzte Tango Dieter Wonka, Berlin
Bielefeld (ots)
Eine Regierungsbildung ist kein Kinderspiel, sie sollte aber auch nicht zur Kinderei werden. Wer auch immer von Unionsseite meinte, man könne durch dummes Quatschen die SPD zur blitzschnellen Koalitionsbildung nötigen, der hat den Ernst der Lage nicht begriffen. Es geht um Problemlösungen von der Pflege bis zur Parität bei der Sozialversicherung, von der Bildungsoffensive bis zum Klimaschutz, von der Integrationsarbeit bis zur digitalen Welt. Dafür braucht man Zeit, überzeugende Ideen und einen starken Willen. Natürlich müsste Angela Merkel vor ihrem letzten Tango in den eigenen Reihen für Ordnung, für Vertrauen und für eine erkennbare Linie sorgen. Tatsächlich machen in der Union aber immer mehr Politiker, was sie wollen. Und das nicht nur bei der CSU. Voreilige Spekulationen über Koalitionspläne der Sozialdemokraten sind aber für Martin Schulz kein Grund, um sich beleidigt bei der CDU-Chefin zu beschweren. Erstens beschwert man sich als SPD-Chef nicht bei der Konkurrenz über Schwätzer aus den unteren Etagen. Und zweitens steht gar nicht fest, ob es nicht ein Sozialdemokrat war, der die neue Große Koalition schon kommen sah. Die SPD hat es aber fertiggebracht, aus der kernigen Neuwahlthese von der letzten Woche zum Wochenende ein vorurteilsfreies Parshippen zum Wochenende zu machen. In jedem Fall ist eine Beschwerde bei "Mutti" keine starke Leistung. Auch nach dem abendlichen Treff der drei Vorsitzenden beim Bundespräsidenten zeigt sich, dass Frank-Walter Steinmeier die Regierungsmacher in spe nicht aus dem Auge verlieren sollte. Es geht selbstverständlich auch um die Wahrung von Parteiinteressen. Das ist nichts Ehrenrühriges. Aber, anders als bei der Fluchtbewegung der FDP oder beim Job-Beschaffungsprogramm führender grüner Jamaika-Verhandler, sollten CDU und SPD miteinander ausloten, wie viel Gemeinsames es für das Land zu tun gibt. Die CSU ist notgedrungen als begleitende Regionalpartei mit dabei. Bestimmenden Einfluss sollten die Erbschleicher hinter Seehofer nicht erhalten. Für die Gespräche über die Zukunft können sich die Politiker Zeit lassen. Ein paar Monate kommt Deutschland ohne feste Koalitionsstrukturen aus. Die Union muss lernen, mit dem kleinen aber feinen Putschgeruch in der Luft umzugehen. Und Schulz sollte nicht verhindern, dass sich die SPD klar über die eigene Zukunft wird. Man muss wissen, ob man sich innerhalb oder außerhalb einer Koalition mehr Einfluss auf Regierungspolitik zutraut.
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