Neue Westfälische (Bielefeld): Trumps Rede zur Lage der Nation Kostüm des Versöhners Dirk Hautkapp, Washington
Bielefeld (ots)
Es war nicht das überdimensionierte Selbstlob, das die erste "Rede zur Lage der Nation" von Donald Trump so schal nachklingen lässt. Auch andere Präsidenten haben das Hochamt im Kongress dazu genutzt, sich dem Volk als unermüdliche Kümmerer zu empfehlen. Dass die beschriebene ökonomische Realität sich in zwölf Monaten kaum dramatisch geändert haben kann, weiß jeder, der diese traditionsreiche politische Butterfahrt schon einmal mitgemacht hat. Pläne durchzudeklinieren, Zusammenhänge plausibel zu erläutern, war nie seine Stärke. Dabei wäre genau das notwendig gewesen, als Trump ohne jedes Argument den Weiterbetrieb des weltweit als Schandfleck geltenden Terror-Haftlagers Guantanamo verkündete. Man kann Trump auch nicht wirklich vorwerfen, dass er nach der apokalyptischen Blut-und-Boden-Ansprache zur Amtseinführung seine Redenschreiber diesmal in die Truhe mit den Pathos-Opern greifen ließ. Historisch blamable Beliebtheitswerte und die Notwendigkeit, die bei unter 40 Prozent verharrende Wählerbasis so schnell wie möglich zu verbreitern, gebieten einen mehr mittigen Tonfall und den Verzicht auf Ausgrenzung des politischen Konkurrenten. Darum so viel heimeliges Gerede über Flagge, Familie, Gottesglaube. Darum rhetorische Turnübungen der nationalen Einheit und Mitmach-Angebote an die Demokraten. Das elementare Problem bei alledem liegt woanders. Wenn ein Präsident nach einem Jahr dafür keinen Vertrauensvorschuss verdient, wenn man einem Präsidenten de facto die Präsentation einer Mogelpackung vorhalten muss, dann ist es Donald Trump. Nach jeder halbwegs zivilen präsidialen Rede, und es gab einige wenige davon, ist der Präsident in der Vergangenheit regelmäßig schon am Tag darauf in die Schützengräben des täglichen Kleinkriegs mit ihren hässlichen Twitter-Geschossen zurückgekehrt. Seine krankhafte Lust, das Land in einem ungesunden Zustand der Dauer-Erregung zu halten und mit inszenierten Schein-Konflikten (knieende Footballspieler etc.) seine Kern-Wählerschaft gegen das mehrheitlich moderat-liberale Amerika zu hetzen, war immer größer als die Einsicht, dass die gesellschaftlichen Gräben so zwangsläufig irgendwann unüberwindbar werden. Warum sollte es diesmal anders sein? Dass sich Donald Trump den Anzug des konsensorientierten Versöhners nur wie ein Kostüm im Karneval angezogen hat, illustriert am besten der Sonderfall Einwanderung. Der Präsident nimmt de facto 1,8 Millionen junge Menschen, denen die Staatsbürgerschaft winkt, als Faustpfand, um eine unsinnige und teure Grenzmauer zu Mexiko durchzusetzen und legale Einwanderung generell drastisch zu reduzieren. Ein Köder, wie er vergifteter kaum sein könnte. Die Demokraten hörten mit versteinerten Mienen zu. Nicht nur sie wissen: Trump bleibt Trump.
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