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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Beitrittsstrategie für Balkanländer Neuer Konflikt für die EU Christian Kerl, Brüssel

Bielefeld (ots)

Es ist noch kein Versprechen, aber doch eine unerwartet klare Ansage: Schon in sieben Jahren könnte die Europäische Union eine neue Erweiterungswelle beginnen und zunächst die Balkanländer Serbien und Montenegro aufnehmen. Zwar verbindet die Kommission die Offerte, die heute offiziell gemacht werden soll, mit einem langen Aufgabenkatalog in Sachen Rechtsstaatlichkeit, politischer und wirtschaftlicher Reformen. Aber die Tür wird weit geöffnet. Doch der neue Schwung täuscht: Der rasche Beitritt von Serbien, Montenegro, Albanien, Mazedonien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina ist intern heftig umstritten. Noch wird die öffentliche Kontroverse vermieden, aber die Union treibt auf einen Konflikt um ihre künftige Ausrichtung zu. Nachbarn des Westbalkan - Bulgarien, Rumänien, Ungarn - kann die Erweiterung nicht schnell genug gehen. In vielen westeuropäischen Hauptstädten gibt es indes deutliche Vorbehalte. Auch in Berlin werden hinter den Kulissen Bedenken geäußert. Zu zögerlich gingen die Reformen in den betroffenen Ländern voran, heißt es. Die großen EU-Staaten wollen nach dem Brexit lieber erst das gemeinsame europäische Haus renovieren, statt sich neue Problemkinder hereinzuholen. Schließlich waren die Erfahrungen mit der letzten Ost-Erweiterung - vorsichtig ausgedrückt - durchwachsen. Zudem haben die Balkanländer untereinander zahlreiche Streitigkeiten, die in die EU hineingetragen würden: Serbien ist nicht bereit, normale Beziehungen zum Kosovo aufzubauen, Mazedonien liefert sich mit EU-Mitglied Griechenland einen Namensstreit, in Bosnien-Herzegowina befehden sich Serben, Kroaten und Bosniaken weiter, auch zwischen Serbien und Kroatien, Montenegro und Kosovo, Albanien und Griechenland gibt es Klärungsbedarf. Sorgen macht auch eine neue Welle nationalistischer Rhetorik vor allem in Serbien. Gleichzeitig hat die EU großes Interesse daran, den Balkan näher an sich zu binden. Denn vor allem Russland, aber auch China und die Türkei versuchen derzeit, ihren Einfluss dort auszudehnen. Serbien unterhält bereits enge Beziehungen zu Russland, auch militärisch. Wie das mit einer EU-Mitgliedschaft vereinbar wäre, ist unklar. Noch drängender ist für die Beitrittsbefürworter zu verhindern, dass der Balkan abdriftet und innere Konflikte wieder auflodern. Aber ist die EU-Mitgliedschaft dafür das richtige Instrument? Durchaus möglich, dass die Offerte nur neue Enttäuschungen produziert.

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