Neue Westfälische (Bielefeld): Rückkehr zur neunjährigen Gymnasialzeit Notwendige Fehler-Korrektur Lothar Schmalen, Düsseldorf
Bielefeld (ots)
Es war die erste schwarz-gelbe NRW-Landesregierung unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), die im Schuljahr 2005/2006 die Gymnasialzeit in Nordrhein-Westfalen von neun auf acht Jahre kürzte und damit einen der schwersten Fehler der Schulpolitik in den vergangenen Jahrzehnten machte. Zur Ehrenrettung der damaligen Schulministerin Barbara Sommer aus Bielefeld muss man vielleicht hinzufügen, dass die Fehlentscheidung von 2005 dem Zeitgeist entsprach. Auch die damalige Opposition sprach sich nicht gegen die Verkürzung der Schulzeit aus. Zu sehr hatte sich die Schulpolitik von der Wirtschaftslobby unter Druck setzen lassen, die das gesamte Leben, auch das schulische, immer nur unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Nutzens sehen wollte. Als wenn es in der Schulzeit nur darum ginge, junge Menschen zu einem gefügigen Rädchen im späteren wirtschaftlichen Getriebe zu machen. Dass es in der Schule auch und vor allem um Charakterbildung, Persönlichkeitsfindung und allgemeine Wissensvermittlung geht, wollten die Wirtschaftsideologen von damals nicht mehr wahrhaben. Akzeptanz bei Eltern, Lehrer und Schülern hat die Verkürzung der Schulzeit gleichwohl nie gefunden und der Widerstand dagegen wurde immer stärker. Und weil die alte Landesregierung in der Korrektur dieses Fehlers nicht konsequent genug vorging, hat dieser Widerstand am Ende sogar mit zur Abwahl der rot-grünen Landesregierung beigetragen. Dass sich die gleichen politischen Kräfte, die damals G8 einführten, nun der anstrengenden Mühe unterziehen müssen, den Fehler von 2005 zu korrigieren und zurück zur neunjährigen Gymnasialzeit (G9) umzusteuern, mag als gerechte Strafe empfunden werden. Die Wiedereinführung von G9 jedenfalls hat es in sich. Die genauen Kosten sind bislang schwer kalkulierbar - auch weil noch unklar ist, wie viele der 625 öffentlichen Gymnasien am Ende bei G8 bleiben wollen. Der Wechsel von Realschülern zum Gymnasium in der Übergangszeit, der Umgang mit einem Mini-Abiturjahrgang 2026, die künftige Stundentafel für alle Fächer - viele Fragen sind noch nicht beantwortet. In vielen der Punkte geht die neue Schulministerin dennoch durchaus umsichtig vor. Ein dicker Brocken allerdings liegt noch auf ihrem Schreibtisch - die Einigung mit den Kommunen über die erforderlichen An- und Umbaukosten an den Schulen. Da wird Yvonne Gebauer noch viel politisches Geschick an den Tag legen müssen.
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