Neue Westfälische (Bielefeld): Der Fall Özil Rassismus ist die falsche Antwort Jörg Rinne
Bielefeld (ots)
Anfang Juni, WM-Trainingslager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Südtirol. Teammanager Oliver Bierhoff reagiert auf der Pressekonferenz schon bei der ersten Frage zum Fall Özil/Gündogan gereizt: "Was hätten wir noch mehr machen sollen? Ich finde, wir haben sogar sehr viel gemacht! Und jetzt reicht's dann auch!" Fataler Irrtum oder schon die erste Erkenntnis, dass das Foto-Shooting mit dem türkischen Präsidenten Erdogan weitreichende Folgen haben könnte? Sieben Wochen später ist das Scherbengericht zubereitet. Die Nationalmannschaft hat sehr früh die Rückreise aus Russland angetreten, Mesut Özil das Nationaltrikot für immer ausgezogen, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) befindet sich in einer schweren Führungskrise und Deutschland diskutiert über die Integrationsfähigkeit seiner Gesellschaft. Wie konnte es zu diesem Desaster kommen? Die Fehlerkette beginnt mit Özil selbst. Welchen Grund hatte sein Treffen mit dem Despoten Erdogan, der Menschen in der Türkei willkürlich verfolgen und verhaften lässt, wirklich? Eine Würdigung seiner türkischen Familienwurzeln oder knallharte Geschäftsinteressen durch Immobilien- und Firmenbeteiligungen am Bosporus, die es in unruhigen politischen Zeiten abzusichern galt? Özils langes Schweigen lässt viel Raum für Interpretationen. Sein Besuchs- und Mannschaftskollege Ilkay Gündogan konnte im Übrigen mit seiner leichtgewichtigen Entschuldigung zeitnah aus dem Fokus verschwinden. Warum hat die DFB-Führung nicht sofort die Notbremse gezogen und Özil aus dem WM-Kader gestrichen? Sogar versucht, den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier als Vermittler zu instrumentalisieren? Ein Blick hinter die Fassade liefert einen Erklärungsversuch. Mit Harun Arslan hat Özil einen Berater an seiner Seite, der auch Bundestrainer Joachim Löw dient. Haben also gemeinsame Interessen den Entscheidungshorizont vernebelt? Löw zeigt sich bis heute im Fall Özil äußerst defensiv. DFB-Chef Reinhard Grindel, einst CDU-Hinterbänkler im Bundestag, hat die Debatte um Özil dann endgültig auf eine populistische Ebene gehoben. Urplötzlich war der gefallene Held an allem Schuld. Insbesondere am sportlichen Misserfolg. Grindels Verhalten ist erbärmlich. Wie dieser Präsident verlorenes Vertrauen wieder wettmachen kann, ist nicht zu sehen »Wir dürfen die Antwort nicht dem rechten politischen Rand überlassen« Ja, Mesut Özil hat viele Fehler gemacht, auch bei seinem völlig überzogenen medialen Auftritt am Sonntag. Aber der Migrantensohn aus Gelsenkirchen könnte Deutschland eine Debatte beschert haben, die längst überfällig war. Er hat vielen Menschen mit Migrationshintergrund eine Stimme geben, die tagtäglich mit dem Rassismus in unserer Gesellschaft konfrontiert sind. Die Diskussion über den Stand der Integration in unserem Land ist schmerzhaft, aber sie ist zwingend notwendig. Und wir dürfen sie nicht allein dem rechten politischen Rand überlassen. Dessen Antwort lautet schlicht Rassismus. Und die ist falsch!
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