Zeit nach dem Corona-Lockdown¶ Es fehlen Perspektiven¶
Bielefeld (ots)
Ingo Kalischek, Düsseldorf¶
Im Nachhinein wissen wir es immer besser: Heute ist es leicht, die Corona-Entscheidungen der Politik im November als zu zögerlich und zaghaft abzuwatschen. Doch wenn wir mal zurückdenken: Als die Ministerpräsidenten sich für einen Mini-Lockdown im November ausgesprochen hatten, gab es anfangs nur wenig Kritik. Warnende Stimmen wie die der Bundeskanzlerin und von Virologen kamen kaum durch. Die Bundesländer wollten mit dem Wellenbrecher-Lockdown das exponentielle Wachstum stoppen, ohne der Wirtschaft vollends zu schaden. Das klingt erst mal plausibel und gehört zur politischen Abwägung dazu. So musste zum Beispiel die Gastronomie schließen, während der Einzelhandel weiter öffnen durfte. Die Hoffnung damals: Das leichte Gegensteuern wird ausreichen, die Infektionszahlen zu senken, ohne das gesamte Leben wieder herunterfahren zu müssen - wie im Frühjahr. Das Motto: Halbschlaf statt Tiefschlaf.Nun tritt genau das Gegenteil ein. Die Lage in den Kliniken spitzt sich leider dennoch zu. Und der Wirtschaft wird doch wieder ein richtiger Schuss vor den Bug verpasst, da ab heute unter anderem auch der Handel schließen muss. Der bereits riesige Schuldenberg wird noch viel höher. Denn auf den Halbschlaf folgt ab heute nicht nur der Tiefschlaf. Es ist nicht auszuschließen, dass es danach erneut zu einem Halbschlaf kommen wird. Wir hangeln uns also derzeit von Lockdown zu Lockdown - fahren auch nach zehn Monaten noch immer "auf Sicht", wie es Politiker bereits im März bezeichneten. "Auf Sicht fahren" bedeutet, keinen Weitblick zu haben. Das ist angesichts eines neuartigen Virus verständlich, reicht aber als Entschuldigung nicht aus. Die Politik hatte zehn Monate Zeit, Perspektiven zu entwickeln, für verschiedene Szenarien. Für steigende Infektionszahlen, für sinkende, für stagnierende. Offenbar hat sie das nicht gut genug vorbereitet. Am Beispiel der Schulen in NRW zeigt sich, zu welch großem Frust das führen kann. Im Sommer wurde Zeit vergeudet. Die Politik hätte Schulen digital besser ausstatten und neue Unterrichtsmodelle erarbeiten müssen. Das hat sie versäumt. Wenn Politiker ihre Entscheidungen auch noch schlecht kommunizieren - und Regeln wiederholt am Freitagmittag verkünden, wenn Lehrer und Schüler schon zu Hause sind, büßen sie Vertrauen ein und geraten zurecht in die Kritik. Es ist gut, dass sich Familienminister Joachim Stamp dafür entschuldigt hat.Nur so wird es in den kommenden Wochen gehen: Wenn Politiker verschiedene Perspektiven und Pläne aufzeigen - und diese den Bürgern klar und ehrlich erklären. Und wenn sie notfalls Fehler auch mal einräumen, anstatt nur ihr Gesicht wahren zu wollen.
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