Borderline-Syndrom: Leben zwischen Normalität und Abgrund
Hamburg (ots)
Nach außen merkt man ihnen nichts an, doch tatsächlich leiden sie unter Einsamkeit, Gefühlstaubheit und Isolation. Wird der innere Schmerz zu groß, versuchen einige, ihn durch körperliche Schmerzreize zu beherrschen: Borderliner. Wie die Frauenzeitschrift FÜR SIE in ihrer aktuellen Ausgabe (4/2008; EVT: 5. Februar) berichtet, leiden schätzungsweise 1,8 Millionen Deutsche an Borderline - einer Persönlichkeitsstörung, die früher an der Grenze (engl.: borderline) zwischen Neurose und Psychose angesiedelt wurde. 60 Prozent der Betroffenen sind Frauen.
"Borderline bedeutet, dass ein Mensch unter einer emotionalen Instabilität leidet", erklärt Dr. Michael Armbrust, Chefarzt der psychosomatischen Klinik in Bad Bramstedt. Selbstverletzungen, wie beispielsweise das Aufritzen der Arme, seien nicht notwendigerweise ein Symptom der Störung. "Wer sich selber verletzt, macht eigentlich schon den ersten, wenn auch sehr ungünstigen Schritt, seine Krankheit in den Griff zu bekommen." Meist bleibt die Krankheit unsichtbar, weil sich die Betroffenen in sogenannte Funktionszustände retten. "Borderliner können eine soziale Rolle einnehmen und hervorragend funktionieren", weiß Armbrust. "Unterdessen stellen sie aber ihre wahre Persönlichkeit in den Schrank. Schwere Erschöpfungszustände sind die Folge."
Die Erkrankung nimmt ihren Anfang in der Kindheit. Fast 80 Prozent der Betroffenen haben in dieser Zeit Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch, Gewalt oder Vernachlässigung gemacht. "Wenn ein Kind ständig in eine emotionale Zwangsjacke gesteckt wird und über einen langen Zeitraum seine spontanen Gefühle unterdrücken muss, kann sich die Störung entwickeln", erläutert Armbrust den Ursprung. Da die Patienten als Kind nicht gelernt haben, wie Erregungen reguliert und emotionale Spannungen ausgehalten werden, können sie sich als Erwachsene nicht auf ihre eigenen Gefühle verlassen, leben im emotionalen Chaos.
Eine der erfolgreichsten Behandlungen von Borderline, die von der US-Professorin Marsha M. Linehan entwickelte Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), basiert auf dieser Erkenntnis, dass die Gefühle der Heranwachsenden nicht ausreichend gewürdigt und ernst genommen wurden. Wesentlicher Teil der Therapie ist es daher, Gefühle hervorzuholen, um sie im nachträglichen Erleben wieder gültig zu machen und Strategien für den Umgang damit zu vermitteln. Für die Patienten eine anstrengende, aber lohnende Therapie, die ihnen ein glücklicheres Leben ermöglicht.
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