Feinsinnig
Kommentar von Christian Knatz zu Emmanuel Macron
Mainz (ots)
Man kann sich Emmanuel Macron ganz gut vorstellen, wie er leicht angewidert die Kritik an seiner Chinareise mit nachgeschobenem Kotau-Interview registriert: Schon wieder haben ihn alle missverstanden, wieder wird die Vision des Zu-spät-Gaullisten von der außenpolitischen Großmacht Europa unter französischer Führung falsch einsortiert. Glaubt er. Da ist auch was dran, genau wie an vielen seiner Ausführungen etwa über die Abhängigkeit von Amerika. Schlimmer als das Missverstehen bei Macrons europäischen wie amerikanischen Partnern, die sich nicht zum ersten Mal vor den Kopf gestoßen fühlen, scheint aber jenes in Peking zu sein. Dort wurde verstanden: Ihr könnt Taiwan von mir aus haben. Und: Zwischen die USA und die EU passt mehr als ein Blatt Papier. Fatalere Zeichen können zu diesem Zeitpunkt China gar nicht gegeben werden, neben Russland der größten Bedrohung für Weltfrieden und Weltordnung. Das Gerede des französischen Präsidenten über "Konflikte, die nicht unsere sind", erinnert fatal an eine nicht nur in Frankreich verbreitete Haltung am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. "Mourir pour Dantzig?" hieß die Parole, die in letzter Konsequenz verhindert hätte, dass die Alliierten Adolf Hitler in den Arm fielen. Es herrscht Krieg, und das ist entschieden die falsche Zeit für feinsinniges Räsonieren über Bündnis-Balance und langfristige Machtperspektiven. Gewiss doch bleibt es erstrebenswert, ein sicherheitspolitisch autonomes Europa zu haben, zumal Amerika wieder zur unsicheren Schutzmacht werden könnte. Aber das liegt in so ferner Zukunft wie eine Bundeswehr, die Deutschland, geschweige denn Europa, verteidigen kann. Für Frankreichs Armee gilt dasselbe. Solange dies so bleibt, braucht es die festen Bande über den Atlantik.
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