Ringen, diskutieren, streiten: So geht Demokratie
Kommentar von Andreas Härtel zur Bertelsmann-Studie
Mainz (ots)
Ist es eine Überraschung, dass weltweit immer mehr Demokratien in autoritäre Strukturen abgleiten, wie die Bertelsmann Stiftung feststellt? Nein, den Trend gibt es seit Jahren. Wähler und Gewählte in allen Teilen der Welt lernen wenig dazu. Auch hierzulande sollte man sich nicht in Sicherheit wiegen. Mehr als 20 oder gar 30 Prozent in Umfragen für die AfD, die das bestehende System verachtet: Das ist Beleg genug dafür, dass die Republik Probleme hat. Ja, oft ist Demokratie schwer zu verstehen. Das beginnt hierzulande bei Schlagzeilen wie: "Söder fordert Scholz nach Schröder-Lob zum Kurswechsel auf." Und es endet bei der Ampel, ihrem Hü und Hott und ihrem Jeder-gegen-jeden. Da liegt es fast nahe, Politik abzutun - und einfachen Parolen zu glauben. Oft ist aber auch Politik kompliziert, selten ist der einfachste Weg der beste. Der Bürger kann es sich zwar leicht machen und denen vertrauen, die nicht diskutieren, sondern dekretieren wollen. Aber Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Und wenn das Volk nichts mehr von Politik wissen will, bleibt die Herrschaft des Einzelnen. Viel zu oft aber macht es sich auch die Politik zu leicht. Der wirre argentinische Präsident Milei hat mit Parolen in sozialen Netzwerken die Wahl gewonnen. Und in Deutschland? Da beherrscht keine Partei das Spiel mit TikTok und Co. so gut wie die AfD. Wo sind da die Demokraten? Ganz gleich, was man von sozialen Netzwerken hält: Wenn politische Willensbildung dort stattfindet, kann die Politik das nicht ignorieren. Demokratie lebt vom Mitmachen. Wähler und Gewählte müssen sich immer wieder suchen, müssen ringen, diskutieren, streiten - und sollten sich daran erfreuen, dass es die Möglichkeit dazu gibt. In der besten aller schlechten Regierungsformen.
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