Die nächste Stufe der Eskalation
Kommentar von Jens Kleindienst zum Angriff des Iran auf Israel
Mainz. (ots)
Auch wenn den iranischen Raketenschwärme in Israel keinen großen Schaden angerichtet haben, markiert die Attacke einen Wendepunkt: Erstmals hat das Regime in Teheran seinen Drohungen Taten folgen lassen. Ob die Mullahs es bei dieser auch nach innen gerichteten Demonstration der Entschlossenheit belassen, dürfte auch von der Reaktion Israels abhängen. Gut möglich, dass die Region nun am Beginn des immer wieder befürchteten großen regionalen Krieges steht. Noch besteht die Hoffnung, dass es der internationalen Diplomatie, allen voran US-Präsident Joe Biden, gelingt, das züngelnde Feuer auszutreten.
Dafür spricht, dass Teheran eigentlich kein Interesse daran haben kann, zum jetzigen Zeitpunkt die große Auseinandersetzung mit Israel (und den USA) zu suchen. Sicher: Die Auslöschung des Judenstaats gehört zu den erklärten Zielen des Terrorregimes. Doch haben die Herrschenden in Iran gerade genug Probleme, die wirtschaftliche und innenpolitische Lage gilt als sehr angespannt. Auf die Kommandoaktion der israelischen Armee gegen zwei Generäle der Revolutionsgarden musste das Regime gleichwohl reagieren. Aber gleich mit einem regelrechten Raketenhagel? Das gibt Rätsel auf.
Zumindest im übertragenen Sinne sind die iranischen Geschosse auch in Berlin eingeschlagen. Die Bundesregierung muss sich einmal mehr fragen lassen, warum sie das Regime in Teheran seit Jahren mit Samthandschuhen anfasst. Schon die Reaktionen auf die heldenhaften Demonstrationen für mehr Freiheit, die das Regime blutig niedergeschlagen hat, waren lau. Mit einer "wertegeleiteten Außenpolitik", die Ministerin Annalena Baerbock so gerne propagiert, hat das nichts zu tun. Neben scharf formulierten, aber wohlfeilen diplomatischen Noten sind scharfe Sanktionen gegen das Regime in Teheran das Gebot der Stunde.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kann mit dem unmittelbaren Resultat der iranischen Attacke zufrieden sein. Anders als bei dem furchtbaren Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober, der am Beginn der Eskalationsspirale stand, hat die israelische Armee diesmal ihre Bürger schützen können. Doch ist das kein Grund, sich in Sicherheit zu wiegen. Ob der "Iron Dome", der eiserne Schutzschirm, auch dann standhält, wenn neben iranischen Raketen Hunderte Geschosse der Hisbollah aus dem Libanon angeflogen kommen, bleibt offen. Für die Mullahs ist es ein Leichtes, die ihnen ergebenen Hisbollah-Terrorkommandos in einen umfassenden Angriffsplan einzubinden.
Nicht nur deshalb bleibt die Lage Israels prekär. Mit der unerbittlichen Fortsetzung des Gazakriegs hat Netanjahu sein Land in eine militärische und politische Sackgasse manövriert. Das selbsterklärte Kriegsziel, die vollständige Auslöschung der Hamas-Terroristen, kann er, wenn überhaupt, nur unter Inkaufnahme riesiger Opferzahlen unter der palästinensischen Bevölkerung erreichen. Zu den Opfern würden dann wohl auch die in der Gewalt der Hamas verbliebenen israelischen Geiseln gehören, deren Schicksal das Land aufwühlt. Bleibt Netanjahu auf diesem Kurs, droht er die letzten verbliebenen Verbündeten zu verlieren, allen voran die USA. Auch die ganz spezielle Unterstützung Deutschlands für Israel wird gerade auf eine harte Probe gestellt.
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