Wir brauchen eine Vision für unser Land
Kommentar von Dennis Rink zum Zustand Deutschlands
Mainz (ots)
Wohin führt unsere Reise? Befindet sich Deutschland wirklich im Sinkflug? Und was bedeutet das für uns? Umfragen bestätigen regelmäßig, dass wir Deutsche uns diese Frage immer häufiger stellen - und dass wir Sorgen haben. Können wir hier noch sicher leben? Bleibt die Demokratie die sattelfeste Grundlage unserer Gesellschaft? Was wird aus unserem Wohlstand?
Diese Unsicherheit ist giftig. Sie liegt seit einiger Zeit wie ein Film über unserem Land. Sie spaltet. Sie fördert Politikverdrossenheit. Sie unterhöhlt demokratische Grundfeste. Und sie ist leider absolut nachvollziehbar. Gesellschaft und Wirtschaft haben sich schon immer gewandelt. Erinnern wir uns daran, welche Veränderungen die Industrialisierung für die Menschen mit sich gebracht hat. Gerade verändert sich noch viel mehr. Die Digitalisierung erfasst ganze Branchen, lässt Berufsbilder verschwinden, bricht mit Routinen, schafft Neues. Das strapaziert eine Gesellschaft. Zumal die Schlagzahl dieser Neuerungen zunimmt. Wir müssen uns diesem Wandel aber stellen. Er ist, und das ist keine Phrase, auch eine Chance.
Wir leben in einem Land mit unzähligen Möglichkeiten. Dass das nicht selbstverständlich ist, zeigt ein Blick in den überwiegenden Teil der Welt. In jedem Transformationsprozess braucht es aber auch eine Vision. Wo wollen wir hin? Wer wollen wir sein? Genau das fehlt Deutschland.
Denn jeder Wandel braucht Führung. Einen Punkt, an dem wir uns orientieren können, der uns durch den Nebel Richtung Ziel führt. Das Problem: Das hat Angela Merkel selten getan. Und das tut erst recht nicht Olaf Scholz. Es ist natürlich die Aufgabe einer Bundesregierung, dem Land mit ihrer politischen Agenda ein Profil zu geben. Das geht aber nicht, wenn man der Wirtschaft, als einstigem Prunkstück Deutschlands, Stück für Stück Knüppel zwischen die Speichen wirft. Das geht auch nicht, wenn man auf drängende gesellschaftliche Fragen wie die Asyl- und Migrationspolitik keine Antwort findet. Das geht auch nicht, wenn man als Ampel nur reagiert statt agiert. Und ein Kanzler, der nur führt, wenn es nicht mehr anders geht, ist eben nicht der, der einem verunsicherten Land den Weg durch den Nebel zeigt.
Was bedeutet das aber jetzt? Deutschland braucht ein Ziel und ein Profil. Wollen wir eine führende Industrienation bleiben, zu der andere Länder aufschauen - dann brauchen wir einen wirklichen Abbau von Bürokratie und eine entschlossene Konzentration auf zukunftsträchtige Industrie- und Gewerbezweige, inklusive der notwendigen Investitionen. Wollen wir Vorreiter bei Themen wie Klimaschutz, Nachhaltigkeit oder Verkehrswende sein - dann brauchen wir steuerliche Förderungen und eine durchdachte Strategie für Industrie und Bevölkerung. Wollen wir auf Bildung, Schulen und den Nachwuchs setzen - dann brauchen wir mehr Lehrer, bessere Ausstattungen und vor allem ein stringenteres Schulsystem, obwohl Bildung Ländersache ist. Das alles muss aber jemand machen.
Olaf Scholz tut das nicht. Friedrich Merz wird das nicht tun. Denn Führung lebt auch von Persönlichkeiten. Schauen wir nach Amerika. Im Prinzip haben die Demokraten nur den Kandidaten gewechselt - und die USA erleben einen Aufschwung der Hoffnung. Weil Kamala Harris für etwas steht. Sie hat ein klares Bild der Zukunft Amerikas und weiß um die Bedeutung ihrer Wirtschaft. Ein Teil der Wahrheit bleibt auch, dass wesentliche Punkte in ihrem Programm vage bleiben und ihre Auftritte in diesem von Donald Trump unter der Gürtellinie geführten Wahlkampf mehr inhaltliche Aspekte brauchen. Aber nicht wenige von uns haben sich bestimmt schon bei diesem Gedanken ertappt: Vielleicht brauchen wir auch eine Kamala Harris.
Wir leben in einem wundervollen Land mit vielen Möglichkeiten. Es ist mir ein Rätsel, wonach sich die Menschen im Osten sehnen, die die AfD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht wählen. Lassen Sie uns die Chancen, die die Zukunft bietet, ergreifen. Wir dürfen nicht überall Probleme sehen. Dafür muss auch die Politik endlich Antworten und Lösungen liefern. Packen wir es an.
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