Zwei Gewinner beim NDR Kultur Sachbuchpreis 2020: "Unsichtbare Frauen" und "Flucht"
Hamburg (ots)
Zum ersten Mal geht der NDR Kultur Sachbuchpreis an zwei Titel: "Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert" von Caroline Criado-Perez (btb) und "Flucht. Eine Menschheitsgeschichte" von Andreas Kossert (Siedler) - das sind nach Ansicht der Jury die beiden besten in deutscher Sprache erschienenen Sachbücher des Jahres. Die Auszeichnungen sind mit jeweils 15.000 Euro dotiert.
Katja Marx, Jury-Vorsitzende und NDR Programmdirektorin Hörfunk:
"Beide Bücher sind herausragend und sie verdienen den NDR Kultur Sachbuchpreis für zwei ganz unterschiedliche Themen, die für unsere Gesellschaft gleichermaßen bedeutsam sind. Die Jury möchte mit ihrer Entscheidung, zwei Auszeichnungen zu vergeben, das Augenmerk auf diese beiden bemerkenswerten Sachbücher richten und dafür sorgen, dass die Themen Migration und Gleichberechtigung auch im Jahr der Pandemie Aufmerksamkeit finden."
Die in Brasilien geborene Autorin Caroline Criado-Perez lebt in London und ist international auch als feministische Aktivistin bekannt. Unter anderem startete sie eine Kampagne für Frauenabbildungen auf englischen Banknoten und gründete die Website "The Women's Room", die helfen soll, mehr weibliche Interviewgäste in die Medien zu bringen. Ihr Buch "Unsichtbare Frauen" (aus dem Englischen übersetzt von Stephanie Singh) belegt anhand zahlreicher Beispiele aus dem Alltag, dass es immer noch eine "Gender Data Gap" gibt - eine Datenlücke, die Frauen vielfach schadet.
Publizistin und Jurymitglied Hilal Sezgin hat beim Lesen viel gelernt, weil das Buch ihren Blick geweitet hat: "Es geht um vermeintlich banale Dinge, die jedoch Frauen auf der ganzen Welt benachteiligen: etwa das Fehlen von sicheren Herden in Küchen, der mangelnde Zugang zu Toiletten, die Temperatur in Büroräumen, die Erprobung von Medikamenten vorwiegend an Männern. Das Buch von Caroline Criado-Perez enthält viele Daten und ist gleichwohl ein Pageturner."
Der zweite Gewinner des NDR Kultur Sachbuchpreises, Andreas Kossert, ist promovierter Historiker und auf die Geschichte Ost- und Mitteleuropas spezialisiert. Flucht und Vertreibung sowie die Integration von Geflüchteten insbesondere im 20. Jahrhundert gehören zu seinen Forschungsschwerpunkten. Er hat unter anderem die Bestseller "Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945" (2008) und "Ostpreußen. Geschichte einer historischen Landschaft" (2014) verfasst. In seinem nun ausgezeichneten Buch "Flucht" schildert er, was Menschen erleben und erfahren, die ihre Heimat verlassen; Kossert bewegt sich dabei nah an den einzelnen Schicksalen und behält zugleich den Blick des Wissenschaftlers.
Johann Hinrich Claussen, Jurymitglied und Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat aus der Lektüre vor allem diese Erkenntnis mitgenommen: "Das Buch führt uns vor Augen, dass alle Flüchtlinge die gleichen existenziellen Situationen erleben: das Weggehen, das Unterwegssein, das Ankommen und, ganz wichtig, auch das Erinnern. Hier fügt Andreas Kossert auf eine ganz virtuose Weise Historisches und Zeitzeugenberichte, Literarisches und Poetisches zusammen - und daraus entsteht ein großes Mosaik."
Aufgrund der Absage von Kulturveranstaltungen wird der NDR Kultur Sachbuchpreis in diesem Jahr im Rahmen einer Spezialsendung auf NDR Kultur verliehen und nicht bei einer Gala auf Schloss Herrenhausen in Hannover. Der mit 10.000 Euro dotierte Förderpreis "Opus Primum" der VolkswagenStiftung wird ebenfalls in der Sendung vergeben. Zu hören ist die Sendung am Dienstag, 24. November, ab 19.00 Uhr im Radio oder im Stream unter NDR.de/NDRkultur.
Bereits zum 12. Mal zeichnet NDR Kultur das beste in deutscher Sprache erschienene Sachbuch des Jahres aus. Wichtigste Kriterien für die Auszeichnung: Das Werk soll komplexe Zusammenhänge und relevante Themen für ein breites Publikum verständlich darstellen, neue Perspektiven eröffnen und die Lust am Diskurs anregen.
Neben Katja Marx gehören der Jury an: Prof. Dr. h.c. Jutta Allmendinger Ph.D., Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung; Dr. Franziska Augstein, Autorin der "Süddeutschen Zeitung"; Hendrik Brandt, Chefredakteur der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung"; Dr. Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland; Dr. Georg Schütte, Generalsekretär der VolkswagenStiftung; Hilal Sezgin, Publizistin; und Dr. Regula Venske, Präsidentin des PEN-Zentrums Deutschland.
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