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Offener Brief an Bundesfinanzminster Eichel

Berlin (ots)

Der Vorsitzende des BDI-Mittelstandsausschusses,
Dr. Arend Oetker, hat Bundesfinanzminister Hans Eichel auf dessen
Schreiben an "die mittelständischen Unternehmen in Deutschland"
geantwortet, in dem es um die Entlastung des Mittelstands durch die
Steuerreform der Bundesregierung geht.
Als Anlage erhalten Sie den Wortlaut des Schreibens von Oetker.
Mit freundlichen Grüßen
Bundesverband der Deutschen Industrie  -  11053 Berlin
Bundesminister der Finanzen
   Herrn Hans Eichel
   Wilhelmstr. 97
10117 Berlin
Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister,
in einem offenen Brief bitten Sie die mittelständische Wirtschaft
um Unterstützung für die bevorstehende Reform der
Unternehmensbesteuerung. Die Reform ist notwendig und seit Jahren
überfällig. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung kann aber nur
Erfolg haben und ist nur akzeptabel, wenn er auch dem industriellen
Mittelstand eine spürbare Nettoentlastung bringt.
Als mittelständischer Familienunternehmer und Vorsitzender des
BDI-Mittelstandsausschusses erlaube ich mir, auf Ihren Brief zu
antworten und meine Bedenken vorzubringen.
Das ursprünglich geplante Ziel einer Unternehmensteuerbelastung
von 35 Prozent wird nicht erreicht und das Grundübel der deutschen
Unternehmensbesteuerung, die Gewerbesteuer, nicht angepackt. Die
Reform weist aber insbesondere mit der Senkung des
Körperschaftsteuersatzes auf 25 Prozent - zu dem immer noch eine
Gewerbesteuer von 15 Prozent hinzu kommt - den Weg in die richtige
Richtung.
Ich stimme Ihnen zu, dass auch die Entlastung großer Unternehmen
bei Zuliefern positive Folgewirkungen haben kann.
Unüberhörbare Äußerungen aus mittelständischen Unternehmen,
einschließlich des weiten Bereichs der Handwerksbetriebe in den
letzten Wochen und nicht zuletzt die Anhörung der Sachverständigen
durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zeigen jedoch,
dass die Unzufriedenheit der Personenunternehmen wächst, weil das
Reformkonzept eine Schieflage zu Lasten des Mittelstandes aufweist.
Diese Schieflage möchte ich anhand der folgenden Punkte aufzeigen.
Der Mittelstand wehrt sich gegen den aus dem Maßnahmepaket
insgesamt spürbaren politischen Druck, Personenunternehmen in
Kapitalgesellschaften umzuwandeln.
Die Personengesellschafter wollen sich nicht aus sachfremden
Gründen in eine anonyme Gesellschaftsform drängen lassen, sondern
wollen auch weiterhin das Schicksal ihres Unternehmens selbst in der
Hand halten. Dazu sind sie bereit, mit ihrem persönlichen Vermögen
einzustehen.
Optionsmodell und Gewerbesteueranrechnung sind keine
zufriedenstellenden Lösungen.
Die Option ist in der vorliegenden Fassung nur für wenige
Personenunternehmen interessant. Für den Mittelstand ist der
bürokratische Aufwand fast nicht zu bewältigen. Vor allem die
Konsequenz einer drastisch höheren Erbschaftsteuer ist für die
Personenunternehmen nicht akzeptabel. Die Anrechnung der
Gewerbesteuer mildert zwar in den meisten Fällen die Steuerbelastung.
Die Spitzenbelastung der Personenunternehmen bleibt aber bei rund 50
Prozent. Das entscheidende Ergebnis ist, dass eine äquivalente
Belastung, die für Kapitalgesellschaften bei rd. 40 Prozent liegt,
gerade für die industriellen mittelständischen Personenunternehmen
nicht erreicht wird. Hier gibt es nur eine vernünftige Lösung: der
Spitzensteuersatz der Einkommensteuer muss sich auf unter 40 Prozent
zu bewegen.
Personenunternehmen müssen auch bei Veräußerungsgewinnen den
Kapitalgesellschaften gleichgestellt werden.
Das Steuerreformkonzept sieht vor, dass bei Kapitalgesellschaften
Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften
steuerfrei bleiben. Dies ist steuersystematisch völlig richtig. Für
diese Steuerfreistellung gibt es darüber hinaus noch andere handfeste
ökonomische Gründe, denn auf diese Weise können die verkrusteten
Strukturen in der deutschen Unternehmenslandschaft aufgebrochen
werden. Für investierende Personenunternehmen ist nichts
Vergleichbares vorgesehen. Die Bundesregierung muss konsequent
bleiben und auch hier eine materiell vergleichbare Regelung
einräumen. Der BDI hat hierzu eine steuerfreie Rücklage
vorgeschlagen.
Die Aussage, dass der Mittelstand durch die Reform der
Unternehmensbesteuerung um 20 Mrd. DM entlastet wird, ist nicht
nachvollziehbar.
Die Entlastungen für den Mittelstand werden weitaus geringer
ausfallen. Die Ermittlung der auf den Mittelstand entfallenden
Tarifentlastung bei der Einkommensteuer beruht nicht auf
statistischen Daten, sondern auf groben Schätzungen, die jeglicher
Grundlage entbehren. Die Berechnungen des Bundesfinanzministeriums
gehen davon aus, dass 25 Prozent der Personenunternehmen im Jahr 2001
und 45 Prozent im Jahr 2004 die Option in Anspruch nehmen, sich wie
eine Körperschaft besteuern zu lassen. Angesichts der von der
Regierung gesetzten Bedingungen ist dies völlig ausgeschlossen. Das
hat auch die Anhörung im Deutschen Bundestag eindeutig ergeben.
Selbst die Bundesregierung glaubt inzwischen nur noch an maximal 10
Prozent. Entsprechend hätte das Finanzierungstableau geändert werden
müssen.
Die Erbschaftsteuerbelastung der Personenunternehmen, die die
Option in Anspruch nehmen steigt. Steuermehreinnahmen sind aber in
den Berechnungen nicht enthalten.
Der Gesetzgeber hat die Unternehmen bereits seit 1999 mit
Gegenfinanzierungsmaßnahmen überzogen, die in der laufenden
Legislaturperiode rund 30 Mrd. ausmachen. Hinzukommen jetzt massive
Verschlechterungen bei den Abschreibungen. In Ihrem offenen Brief ist
von diesen auch konjunkturell kontraproduktiven Maßnahmen überhaupt
keine Rede.
Fest steht auch, dass der industrielle Mittelstand von dem
sogenannten Steuer-Entlastungsgesetz nicht entlastet, sondern
belastet wurde.
Der Mittelstand kann der geplanten Reform der
Unternehmensbesteuerung nur bei erheblicher konzeptioneller und
technischer Nachbesserung zustimmen. Der BDI hat in seiner
Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf bereits eine ganze Reihe konkreter
Vorschläge gemacht. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Koalition
gemeinsam mit der Opposition, die hierzu konkrete Anträge,
insbesondere für die weitere Absenkung des Einkommensteuertarifs
gestellt hat, die erhebliche mittelstandspolitische Schieflage
beseitigen würde.
Da Sie Ihr Schreiben an alle mittelständischen Unternehmen
adressiert haben, erlaube ich mir, meine Antwort ebenfalls der
Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Arend Oetker
Vorsitzender
BDI-Mittelstandsausschuss
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