BDI Bundesverband der Deutschen Industrie
Gemeinsame Erklärung zum Münchener Spitzengespräch
Berlin (ots)
Gemeinsame Erklärung Münchener Spitzengespräch 16. März 2012
Wettbewerbsfähigkeit stärken, Herausforderungen angehen Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland schwächt sich spürbar ab. Nach zwei wachstumsstarken Jahren ist dies eine konjunkturelle Normalisierung. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist nach wie vor positiv. Gleichwohl kommen auf Politik und Wirt-schaft erhebliche Herausforderungen zu. Dazu gehören die Bewältigung der Staats-schuldenkrise, die Sicherung der Unternehmensfinanzierung, die Umsetzung der Energiewende, die Sicherung des Fachkräftebedarfs und eine gesetzliche Wiederher-stellung der Tarifeinheit. Strukturelle Defizite am Standort Deutschland müssen entschlossen angegangen wer-den - etwa die Anpassung der sozialen Sicherungssysteme an den demografischen Wandel, die Weiterentwicklung der Besteuerungssystematik und ein konsequenter Bürokratieabbau. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft fordern die Politik auf, bis zur Bun¬destagswahl im nächsten Jahr die Weichen für die Zukunft richtig zu stel-len. Die Stärkung wettbewerbs¬fähiger Strukturen - in Deutschland und Europa - muss das Ziel sein.
Lösung der Staatsschuldenkrise vorantreiben
Die Realwirtschaft in Deutschland braucht verlässliche und akzeptable Finanzie¬¬¬¬rungs¬bedingungen. Aktuell hat die überwiegende Mehrheit der Unternehmen noch keine Probleme bei der Kreditversorgung. Allerdings nehmen die Finanzie¬rungsrisiken zu. Die Ur¬sachen hierfür liegen vor allem in der nach wie vor ungelösten Staatsschulden-krise und deren Rückwirkungen auf die Finanzwirtschaft. Hier haben die Staats- und Regierungschefs in den letzten Monaten wichtige Be¬schlüs¬se gefasst. Erste Erfolge zeigen sich bereits. Die deutsche Wirtschaft sieht insbesondere in dem vereinbarten Fiskalpakt einen Schritt in Richtung finanzpolitischer Stabilität im Euroraum. Allerdings müssen sich die ver¬schärften Schuldenregeln sowie die nationalen Schuldenbremsen erst noch in der Praxis beweisen. Die bevorstehende Verabschiedung der mittelfristi-gen Finanzplanung in Deutschland sollte unbedingt genutzt werden, um den bereits eingeschlagenen Weg der verfassungsrechtlich ver¬ankerten Schuldenbremse erfolg-reich fortzuführen. Zusätzliche konsumtive Ausgaben sind dabei nicht Ziel führend. Das Vor¬ziehen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) kann zusätzliches Vertrauen an den Märkten schaffen, eine Aufstockung des Rettungsfonds ist jedoch zu vermeiden. Der ESM darf nicht zur Gewährung unbegrenzter Rettungskredite führen. Dies würde den Ländern sämtliche Anreize nehmen, effiziente Verwaltungen zu schaf-fen und weitere Strukturreformen für mehr Wettbe¬werbs¬fähigkeit durchzuführen. Als problematisch könnten sich darüber hinaus im Jahresverlauf die schwierigere Refi-nanzierung sowie die ver¬schärf¬ten Kapital- und Liquiditätsanforderungen für die Ban-ken - Stichwort Basel III - in der Europäischen Union erweisen. Eine pauschale Erhö-hung der Kapitalunterlegung für Unternehmenskredite aller Größenklassen wird den tatsächlichen Gegebenheiten und damit Regulierungserfordernissen nicht gerecht. Not¬wen¬dig ist daher eine international abge¬stimm¬te sowie nach Geschäftsmodell und Risiko differenzierte Regulierungspo¬litik mit Augenmaß und hinreichenden Übergangs-fristen, so dass die Kreditfi¬nan¬zie¬rung nicht erschwert wird.
Weichen für die Energiewende jetzt richtig stellen
Die deutsche Wirtschaft ist auf eine zuverlässige, wettbewerbsfähige und saubere Energieversorgung angewiesen. Die politisch mit breiter Mehrheit gewollte Energie-wende darf diese Notwendigkeit nicht aus dem Blick verlieren. Die deutsche Wirt-schaft ist bereit, an der Umsetzung der Energiewende engagiert mitzuwirken. Unge-klärt ist die Frage der künftigen Grundlastsicherung. Es muss sichergestellt sein, dass stets ausreichende Reserven zur Verfügung stehen und auch Risiken im Bereich des Stromhandels ausgeschlossen werden. Der Netzausbau und insbesondere die Offsho-re-Netzanbindung sind weit hinter dem Zeitplan. Hier braucht es eine deutliche Be-schleunigung. Politische Blockaden bremsen Investoren und bedrohen die ambi¬tionierten Ziele der Bundesregierung bei der Energieeffizienz. Die Unternehmen stehen bereit, um bei der Gebäudesanierung voranzukommen. Die Politik muss die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und Bürgern durch einen breiten Mix an Anreizinstrumenten flankieren. Die EEG-Umlage ist deutlich zu hoch. Sie wird zu einer zunehmenden Belastung für 99 Prozent der Unternehmen in Industrie, Dienstleistung und Handwerk, die die volle Um-lage zahlen. Die Bundesregierung steht im Wort, dass die EEG-Umlage den Bereich von 3,5 Cent nicht übersteigt und gesenkt wird. Umfassend und frühzeitig muss informiert werden über Eng¬passsituationen und Schritte zur Risikominderung. Die Energiewende muss als Großprojekt begriffen wer-den und braucht ein stimmiges Pro¬jektmanagement. Die Wirtschaft fordert die Bundes-regierung auf, Energie-Kompetenzen in den Ministerien noch stärker zu bündeln und eine klare Projektverantwortung mit raschen Reaktionsmöglichkeiten bei Fehlentwick-lungen zu schaffen.
Fachkräftesicherung zügig angehen
Im Zuge des demografischen Wandels ist die Fachkräftesicherung eine Herausforde-rung für Politik und Wirt¬schaft. Die Bundesregierung hat dazu ein Konzept mit richti-gen Akzenten vorgelegt. Die gilt es entschlos¬sen umzusetzen. Dazu gehört eine frühzei¬tige und qualitativ hoch¬wertige Berufsorientie¬rung in Kooperation mit der Wirt¬schaft und die Sicherstellung der Aus¬bildungsreife junger Menschen. Angesichts der hohen Bedeutung für die Innovationsfähigkeit Deutschlands müssen wir mehr junge Menschen und insbesondere Frauen für naturwissenschaftlich-technische Berufe gewinnen. Ein erklärtes Ziel der Wirtschaft ist die bestmögliche Nutzung aller inländischen Fachkräftepotenziale. Dazu müssen wir künftig noch mehr Menschen bis zur Regel-altersgrenze beschäftigen. Die Rente mit 67 ist konsequent umzusetzen, Frühverren¬tungs¬anreize müssen abgebaut werden. Um mehr Frauen eine vollzeitnahe Beschäf-tigung zu ermöglichen, muss vor allem der bedarfsgerechte Aus¬bau einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung spürbar vorangetrieben werden. Deutschland ist aber auch auf die Zuwan¬derung ausländischer Fachkräfte angewie-sen. Die ar¬beitsmarkt¬orien¬¬tierte Steuerung der Zuwanderung nach einem Punkte-plansys¬tem und die Erleichterung des internationalen Personalaustauschs inner¬halb multinationaler Unternehmen müssen ergänzend zu den von der Bundesregierung be¬schlossenen, richtigen Verbesserungen im Zuwanderungsrecht auf der poli¬tischen Agenda bleiben.
Tarifeinheit gesetzlich wiederherstellen
Die Streiks am Flughafen Frankfurt haben erneut belegt, dass eine gesetzliche Re-gelung der Tarifeinheit dringlich ist. Eine kleine Spartengewerkschaft nutzt das Er-pressungspotenzial einiger weniger Arbeitnehmer, um den gesamten Betrieb stillzu-legen. Sie verursacht dadurch nicht nur bei den bestreikten Unternehmen, sondern für die gesamte Wirtschaft große Schäden. Ohne gesetzliche Tarifeinheit kann eine Spartengewerkschaft auch dann einen Ar-beitskampf führen, wenn für alle Arbeitnehmer im Betrieb ein Tarifvertrag besteht und die Friedenspflicht gilt. Bereits im vergangenen Jahr hat es mehrere tarifein-heitswidrige Streiks gegeben. Diesem Missbrauch muss der Gesetzgeber einen Riegel vorschieben, indem er den Grundsatz der Tarifeinheit wiederherstellt. Ohne ein entschlossenes Handeln des Gesetzgebers werden solche Spartenstreiks Nachahmung finden. Das gefährdet die erfolgreiche deutsche Tarifautonomie im Kern.
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