BDI Bundesverband der Deutschen Industrie
BDI-Präsident Keitel legt Energiewende-Navigator vor: "Hohe Klima- und Umweltverträglichkeit, aber Wirtschaftlichkeit akut gefährdet"
Berlin (ots)
- Gesamteffizienz hat oberste Priorität - Bis 2030 rund 350 Milliarden Euro Investitionskosten - Marktchancen für deutsche Leitanbieter - Industrieentlastungen wegen immenser Risiken für Arbeitsplätze nicht verhandelbar
"Die Wirtschaftlichkeit der Energiewende ist bereits jetzt akut gefährdet. Die Politik muss sich dringend um die wirtschaftliche Gesamteffizienz ihrer Maßnahmen kümmern. Nur so ufern die Kosten nicht weiter aus, lassen sich Zeitpläne einhalten und die Akzeptanz der Bevölkerung sicherstellen." Das erklärte Hans-Peter Keitel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), am Donnerstag auf dem BDI-Energiewendekongress in Berlin.
Mit dem BDI-Energiewende-Navigator und den ersten Ergebnissen von zwei Trendstudien für ein nach vorne gerichtetes Projektmanagement stellte der Spitzenverband seinen aktuellen Beitrag zur Energiewende vor. Ziel ist es, mögliche Fehlentwicklungen, die unnötig hohe Kosten verursachen und volkswirtschaftliche Risiken erzeugen, zu vermeiden.
Der BDI-Energiewende-Navigator ist die erste umfassende Untersuchung zur Energiewende aus Industriesicht. Er gibt eine Status-Quo-Beschreibung in Form von Ampelfarben entlang der fünf Dimensionen Klima- und Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit, Akzeptanz und Innovation. Basis sind 42 quantitative Indikatoren. Das Thema Klima- und Umweltverträglichkeit befindet sich im grünen Bereich, ebenso, mit fallender Tendenz allerdings, die Versorgungssicherheit. Bei den Indikatoren Innovation und Akzeptanz steht die Ampel auf Gelb. "Beunruhigend tiefrot sind die Daten zur Wirtschaftlichkeit", stellte der BDI-Präsident fest. Auch mit Blick auf die Jahre 2022 und 2030 seien hier keine Verbesserungen in Sicht.
"Die Energiewende muss möglichst aus einem Guss gelingen. Es ist nicht zielführend, Dutzende oder gar Hunderte von politischen Einzelzielen nebeneinander auszurufen, auf Bundesebene, auf Länderebene, auf europäischer Ebene, ohne sie aufeinander abzustimmen", kritisierte Keitel. "Energiepolitische Flickschusterei treibt die Kosten in die Höhe, verunsichert Investoren, lässt Bürgerinnen und Bürger am Sinn der Unternehmung zweifeln."
Der Komplettumbau des Energiesystems erfordere einzigartige Investitionen: Bis 2030 würden Investitionen von mehr als 350 Milliarden Euro im Stromsektor fällig, lautet ein Ergebnis der Trendstudien. Zum Vergleich: Ohne den durch die Energiewende erforderlichen Komplettumbau des Systems würden nur etwa 150 Milliarden Euro Investitionen bis 2030 anfallen.
"Die Akzeptanz der Energiewende steht und fällt mit ihrer Bezahlbarkeit", unterstrich Keitel. Nach einer aktuellen Umfrage unter 1000 Bürgerinnen und Bürgern sowie unter fast 800 Unternehmen sind nur 24 Prozent der Bevölkerung bereit, zur Umsetzung der Energiewende langfristig um 20 bis 30 Prozent höhere Strompreise in Kauf zu nehmen. 77 Prozent der befragten Unternehmen gehen von steigenden Kosten aus.
"Die Versorgungssicherheit wird auf EU-Ebene preiswerter zu erreichen sein als national. Es wird deshalb höchste Zeit, dass die Bundesregierung mit unseren europäischen Partnern in einen intensiven Dialog tritt und stärker nach gemeinsamen Lösungen sucht", verlangte Keitel. Studienergebnissen zufolge wird Deutschland in zehn Jahren mit rund einem Drittel seines zusätzlich erzeugten erneuerbaren Stroms lediglich den Exportüberschuss erhöhen.
Die Trendstudien belegen, dass die Strompreisentlastungen für die energieintensiven Industrien keine verhandelbare Größe sein könnten. "Die Entlastungen der Industrie müssen genauso lange garantiert sein, wie die durch Umlagen finanzierten Kosten gegeben sind", forderte der BDI-Präsident. "Der durchsichtige Versuch, die Industrie in dieser Diskussion zum Kostentreiber und Sündenbock zu machen, lenkt von den wahren Problemen ab. Für uns alle muss es darum gehen, durch eine möglichst effiziente Gestaltung der Energiewende die Gesamtkosten zu senken."
Die deutsche Industrie sieht in der erfolgreichen Umsetzung der Energiewende auch große Chancen. "Deutschland baut als erste Volkswirtschaft nennenswerte Systemkompetenz im Umgang mit einem gänzlich neuen Energiesystem auf. Dadurch entstehen Marktchancen für deutsche Leitanbieter", sagte der BDI-Präsident. Schätzungen der Trendstudien prognostizieren einen kontinuierlichen Anstieg des deutschen Umsatzpotenzials im Weltmarkt für Energietechnologie: von rund 42 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf rund 60 Milliarden Euro im Jahr 2020 - ein Plus von nahezu 40 Prozent. BDI-Energiewende-Navigator und die Trendstudien sind Elemente der Kompetenzinitiative Energie, die der BDI im Juni 2012 gestartet hat. "Die Breite der Industrie steht hinter der Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit einer Fülle von Fakten, die es so noch nie zuvor gab, einen konstruktiven Beitrag für ein kontinuierliches Projektmanagement zur Verfügung zu stellen", erklärte Keitel. Die Kompetenzinitiative Energie arbeitet zusammen mit unabhängigen Gutachtern des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW, dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln EWI, der Deutschen Energie-Agentur Dena sowie der Boston Consulting Group BCG. Den BDI-Energiewende-Navigator sowie weitere Informationen rund um die Energiewende finden Sie unter www.energiewende-richtig.de.
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