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BDI-Präsident Rogowski: Fünf gute Gründe für eine klare europäische Perspektive der Türkei

Berlin (ots)

"Der BDI würde es begrüßen, wenn die
Beitrittsverhandlungen mit der Türkei so bald wie möglich aufgenommen
werden könnten. Allerdings muss die Türkei dafür die Voraussetzungen
erfüllen, wie sie auch für alle anderen Beitrittskandidaten gelten",
sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie
(BDI), Michael Rogowski, im Vorfeld des Europäischen Rates in
Kopenhagen. Die deutsche Wirtschaft erwarte deshalb von der neuen
türkischen Regierung, dass sie - den Empfehlungen der EU, des IWF und
der OECD folgend - entsprechende Reformen konsequent durchsetzt. Auch
die Privatisierung sollte mit größerem Nachdruck vorangetrieben
werden, um die marktwirtschaftlichen Strukturen in der Türkei weiter
zu stärken.
"Für die deutsche Industrie ist die Türkei ein strategischer
Partner von großem Gewicht. Deshalb setzen wir uns ohne Wenn und Aber
dafür ein, dass in Kopenhagen Beschlüsse für eine weitere Annäherung
der Türkei gefasst werden. Aus Sicht der deutschen Industrie wäre es
in jedem Fall ein sinnvoller Schritt, wenn die Türkei und die EU
möglichst bald einen gemeinsamen Wirtschaftsraum bilden", betonte
Rogowski. Damit solle der Status der Türkei als Bewerberland für eine
Mitgliedschaft in der EU nicht relativiert werden. Die möglichst
zügige Einbindung der Türkei in den Binnenmarkt wäre aber für das
längerfristige Ziel einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union
sehr förderlich.
Mit Blick auf den Europäischen Rat von Kopenhagen hat der BDI am
Dienstag das Positionspapier "Fünf gute Gründe für eine klare
europäische Perspektive der Türkei" vorgelegt. Das Papier ist über
www.bdi-online.de erhältlich.
Positionspapier
Fünf gute Gründe für eine klare europäische Perspektive der Türkei
Die deutsche Industrie tritt seit langem dafür ein, dass die EU
der Türkei eine klare europäische Perspektive bietet. Damit das
Potenzial der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit der Türkei
besser ausgeschöpft werden kann, hat sich die deutsche Wirtschaft
aktiv und frühzeitig für die Zollunion der EU mit der Türkei
eingesetzt. Der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen kann einen
wichtigen Beitrag zur weiteren Annäherung der Türkei an die EU
leisten.
Den Beschluss des Europäischen Rates von Helsinki im Dezember
1999, die Türkei in den Kreis der Bewerberländer um eine
Mitgliedschaft in der EU aufzunehmen, hat der BDI begrüßt. Jetzt
fordert der BDI gemeinsam mit seinem türkischen Partnerverband TÜSIAD
Berechenbarkeit für die nächsten Schritte der Türkei auf dem Weg zu
einer Mitgliedschaft in der EU. Dafür gibt es gute Gründe:
* Die Wirtschaft der Türkei ist schon jetzt stark auf die
Europäische Union ausgerichtet.
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Türkei und der EU haben
sich seit Beginn der Zollunion im Jahr 1996 besonders dynamisch
entwickelt. Über 51 % der türkischen Gesamtausfuhren mit einem
Volumen von 20,1 Mrd. Euro in 2001 werden mit der EU abgewickelt. Die
Türkei hat sich ihrerseits zu einem wichtigen Markt für die
Europäische Union entwickelt. Die türkischen Einfuhren aus der EU
erreichten in 2001 ein Volumen von rund 20 Mrd. Euro. Dies entspricht
rund 44,6 % aller türkischen Einfuhren.
Deutschland ist mit Abstand wichtigster Handelspartner der Türkei
in der EU. Im Jahr 2001 wurden 13,3 % der türkischen Importe und 17,4
% der türkischen Exporten mit Deutschland abgewickelt.
* Die Beitrittsperspektive fördert den Ausbau der
Wirtschaftsbeziehungen.
Heute existieren in der Türkei über 1000 Unternehmen mit deutscher
Kapitalbeteiligung. Nach offiziellen türkischen Statistiken beliefen
sich die deutschen Direktinvestitionen in der Türkei Mitte 2001 auf
3,8 Mrd. Euro. Rund 40 % der ausländischen Direktinvestitionen in der
Türkei stammen aus Deutschland. Umgekehrt sind etwa 40.000 türkische
Unternehmen in Deutschland tätig.
Die Erfahrung mit den Beitrittsländern in Mittel- und Osteuropa
zeigt, dass die Aussicht auf eine volle Einbindung in den Binnenmarkt
der Entwicklung von Handel und Investitionen starke Impulse verleihen
kann. Eine ähnliche Entwicklung, die dem Wachstum und dem Aufbau von
Beschäftigung in der gesamten EU zugute kommt, ist auch für die
Türkei zu erwarten.
* Für die europäische Wirtschaft ist die Türkei ein strategischer
Partner in den Regionen des Nahen und Mittleren Ostens sowie in
Zentralasien.
Die türkische Wirtschaft ist für Infrastrukturprojekte in den
benachbarten Regionen strategisch besonders gut positioniert. Im
"Deutsch-Türkischen Kooperationsrat" wird intensiv über Möglichkeiten
beraten, Partnerschaften zwischen deutschen und türkischen
Unternehmen zur weiteren Erschließung der Märkte in diesen Regionen
zu bilden. Eine Intensivierung der Zusammenarbeit europäischer und
türkischer Unternehmen bei diesen Projekten, insbesondere in den
Bereichen Rohstoffe und Energie käme der gesamten Europäischen Union
zugute.
* Die Türkei kann zu einem Wachstumsmotor für die gesamte
Europäische Union werden.
Eine klare europäische Perspektive könnte die Reformkräfte in der
Türkei  stärken und zur Überwindung der strukturellen
Ungleichgewichte in der türkischen Wirtschaft beitragen. Wenn die
Türkei den Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und
der OECD folgt und die notwendigen Strukturreformen sowie die
Privatisierung vorantreibt, könnte das Land auf einen dynamischen
Wachstumspfad einschwenken. Bei einer entschlossenen und konsequenten
Reformpolitik der türkischen Regierung wäre in den kommenden Jahren
nach Einschätzung vieler Institute mit überdurchschnittlichen
Wachstumsraten zu rechnen. Von dieser Entwicklung würden positive
Impulse für die gesamte europäische Wirtschaft ausgehen.
* Die Beitrittsperspektive der Türkei verspricht der Wirtschaft
politische Stabilität und Sicherheit.
Als Bündnispartner in der NATO und als Mitglied in der OECD, der
EBRD, der OSZE sowie des Europarates ist die Türkei schon jetzt ein
wichtiger Partner der EU bei der Sicherung des Friedens und der
politischen Stabilität in der Region und weltweit. Frieden und
Sicherheit sind für eine dynamische Entwicklung der Wirtschaft
grundlegend. Die Perspektive einer Mitgliedschaft in der EU könnte
diese stabilisierende Rolle der Türkei in der westlichen
Staatengemeinschaft stärken.
Empfehlungen des BDI
Aus Sicht des BDI wäre es zu begrüßen, wenn die
Beitrittsverhandlungen mit der Türkei so bald wie möglich aufgenommen
werden könnten. Allerdings muss die Türkei dafür die Voraussetzungen
erfüllen, wie sie auch für alle anderen Beitrittskandidaten gelten.
Die EU-Kommission kommt in ihrem Fortschrittsbericht 2002 zu dem
Ergebnis, dass die Türkei bislang weder die politischen noch die
wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Aufnahme von
Beitrittsverhandlungen erfüllt. Die deutsche Wirtschaft erwartet
deshalb von der neuen türkischen Regierung, dass sie - den
Empfehlungen der EU, des IWF und der OECD folgend - entsprechende
Reformen konsequent durchsetzt. Auch die Privatisierung sollte mit
größerem Nachdruck vorangetrieben werden, um die
marktwirtschaftlichen Strukturen in der Türkei weiter zu stärken.
In Kopenhagen ist von den Regierungen zu entscheiden, ob ein Datum
für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen festgelegt werden soll.
Die deutsche Industrie setzt sich dafür ein, dass diese Entscheidung
wie bei allen anderen Bewerberländern nach objektiven politischen und
wirtschaftlichen Kriterien getroffen wird.
Die Berechenbarkeit der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei
ist für die Unternehmen und Investoren in beiden Ländern wichtig. Aus
Sicht der deutschen Industrie wäre es in jedem Fall ein sinnvoller
Schritt, wenn die Türkei und die EU jetzt möglichst bald einen
gemeinsamen Wirtschaftsraum bilden, in dem die Binnenmarktregeln zur
vollen Anwendung kommen. Vorbild könnte der Europäische
Wirtschaftsraum (EWR) sein, der sich aus der Europäischen
Freihandelszone EFTA entwickelte, und dem - nach Aufnahme
Österreichs, Schwedens und Finnlands in die EU - heute noch Norwegen,
Island und Liechtenstein angehören. Damit soll der Status der Türkei
als Bewerberland für eine Mitgliedschaft in der EU nicht relativiert
werden. Die möglichst zügige Einbindung der Türkei in den Binnenmarkt
wäre aber für das längerfristige Ziel einer Mitgliedschaft in der EU
sehr förderlich.
Die deutsche Industrie setzt sich dafür ein, dass in Kopenhagen
konstruktive Beschlüsse gefasst werden, die für die weitere
Annäherung der Türkei an die EU wegweisend sind. Spätestens seit den
Beschlüssen des Europäischen Rates von Helsinki gehen die Unternehmen
in ihren Planungen davon aus, dass die Annäherung der Türkei an die
EU stetig voranschreitet. Die Wirtschaft ist auf die Glaubwürdigkeit
und Berechenbarkeit dieses Prozesses angewiesen. Ein Stillstand
infolge mangelnder Konkretisierung der nächsten Schritte wäre für die
deutsche Wirtschaft ein Rückschritt.
Rückfragen:
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