Pressemitteilung zur 6. Handelsblatt-Jahrestagung
"Banken im
Umbruch" 26./27. September 2001, Frankfurt
Frankfurt am Main (ots)
Handelsblatt-Jahrestagung "Banken im Umbruch" haben Vertreter der Banken- und Finanzwelt vor rund 400 Teilnehmern ihre Strategien für den europäischen Kapitalmarkt vorgestellt und diskutiert. Den Vorsitz führte Professor Dr. Wolfgang Gerke, Lehrstuhl für Banken- und Börsenwesen, Universität Erlangen.
Einen großen Raum nahmen dabei die Ereignisse des 11. September ein: Nach Ansicht des Vorstandssprechers der Deutschen Bank , Rolf E. Breuer, müsse die Finanzwelt Lehren aus den Terroranschlägen in den USA ziehen. Es sei nun Aufgabe aller Markteilnehmer, den Finanzströmen der Terroristen auf die Spur zu kommen und weiterer Terrorakte zu verhindern. Es gäbe aber durch die Anschläge keine grundsätzlichen Änderungen der Entwicklungslinien der Kapitalmärkte. Die Terror-Anschläge in den USA hätten vor allem Defizite im technischen Bereich offenbart, betonte Breuer. Die Deutsche Bank habe ihre Computernetze bereits Dienstagabend wieder hochfahren können, aber die Verbindung zur Außenwelt fehlte trotzdem, da die Telefonnetze noch lahmgelegt waren. Die Deutsche Bank denke nun auch über eine Trennung des Backoffice und des Frontbetriebs nach. Das Geschäftvolumen sei in den ersten Tagen danach in New York etwas geschrumpft, dieses Schrumpfen sei aber nach der Wiedereröffnung der NYSE wieder kompensiert worden.
Die Geschäftsentwicklung im Konzern der Deutsche Bank AG, Frankfurt, im dritten Quartal 2001 bezeichnete Vorstandssprecher Rolf- E. Breuer am Rande der Handelsblatt-Tagung als "sehr limitiert". Es gebe im Konzern der Deutschen Bank auch keine konkreten Pläne über einen zusätzlichen Arbeitsplatzabbau, weder in der Wall Street noch in Europa.
Zum Thema "Aktie als Finanzierungsinstrument" merkte Breuer an, dass sich die Aktienkultur in Deutschland in den letzten Jahren stark verändert hätte, sie spiele heute auf jeden Fall eine größere Rolle als noch in den 50er und 60er Jahren. Als "entsetzlich" bezeichnete er jedoch Vorschläge von Politikern, bei Verlusten sogenannter Volksaktien wie die T-Aktie Gratisaktien auszugeben, wenn die Aktie an Wert verliert. Es müsse eine wirkliche Aktienkultur geben, die nicht von den Vorstellungen von "Volksaktien, die nur steigen können", geprägt sei.
Unterschiedliche Konzepte wurden im Bereich Allfinanz vorgestellt: Breuer verteidigte ausdrücklich das Allfinanz-Konzept der Deutschen Bank. Während Allianz und die Dresdner im Zuge ihrer Fusion das Banken- und Versicherungsgeschäft in einem Konzern vereinen, verkaufte die Deutsche Bank ihre Versicherung an die Schweizer Gruppe Zurich Financial, deren Produkte sie vertreiben will. "Man muss die Kuh nicht besitzen, um Milch verkaufen zu können", sagte Breuer. Der Kunde wolle wie im Kaufhaus auswählen können und danach müsse sich die Bank richten und eine Auswahl verschiedener Produkte zum Beispiel zur Altersvorsorge anbieten. Leonhard Fischer, Vorstand der Dresdner Bank, betonte, unter einem zu großen und unterschiedlichen Produktangebot leide die Qualität der Beratung. Weiterhin ließen sich eigene Produkte flexibler und schneller an das jeweilige Marktumfeld anpassen. Zu Konsequenzen im Personalbereich angesichts der Ereignisse am 11. September befragt, gab Fischer an, dass diese keine Auswirkungen auf den Personalabbau gehabt hätten. Der Vorstand des Kölner AXA Colonia Konzerns, Dr. Wolfram Nolte erläuterte, für AXA sei ein Zusammenschluss wie zwischen der Allianz AG, München, und der Dresdner Bank zu teuer und mache "keinen Sinn". AXA habe nach wie vor kein Interesse an Bankgeschäften wie dem Devisenhandel. Außerdem sei es nicht einfach, über Akquisitionen rentabel zu arbeiten. Das laufende Jahr werde unter anderem wegen der fortdauernden Kapitalmarktschwäche und der Unsicherheit über die Folgen der US-Terroranschläge ohnehin "ein schwieriges Jahr" für die Banken und Versicherer.
Die HypoVereinsbank AG (HVB), München, will zusätzlich zu den bereits geplanten 5000 Arbeitsplätzen bis auf weiteres keine Stellen streichen. "Das sehe ich derzeit nicht", sagte der Bereichsvorstand Firmenkunden und Corporate Finance, Karl Ralf Jung, auf der Handelsblatt-Jahrestagung "Banken im Umbruch". Wichtiger sei es, Ertragspotenziale auszubauen, beispielsweise solche, wie sie im Firmenkundengeschäft bei der im Rahmen von Basel II geplanten Verschärfung der Eigenkapitalregeln für Banken entstehen. Die HypoVereinsbank sei als "Bank der Regionen" auch nicht notwendigerweise nationengebunden, Süd- und Westeuropa seien durchaus Märkte für die HypoVereinsbank. Die US-Terroranschläge hätten keinen direkten Einfluss auf die Ertragslage gehabt, betonte Jung. Eine Erhöhung der Risikovorsorge in diesem Jahr schloss der Bereichsvorstand ebenfalls aus.
Zu der Frage, warum Europa ein interessanter Markt für globale Banken sei, erklärte Sir Win Bischoff, Chairman der Citigroup, London, dass Europa, als zweitgrößter Kapitalmarkt der Welt, eine Herausforderung für "global player" sei, vor allem, was das Zusammenführen von Kulturen betrifft. Der dynamische Markt biete Chancen für viele: "Implementation is everything", so sein Schlusswort.
Weiteres Thema der Veranstaltung war "Strategische E-Transformation. Klaus Peter Frohmüller, Konzernleiter Organisation und Transaction Banking Commerzbank AG, Frankfurt, sieht einen vollständigen elektronischen Vertriebskanal als nicht sinnvoll an: er sei zwar als Ergänzung erforderlich, aber die physische Kundennähe ist der Commerzbank sehr wichtig.
Die ConSors Discount-Broker AG, Nürnberg, sieht derzeit nur ein "gedämpftes Wachstum" bei Neukunden. Eine leichte Erholung bei den Handelsaktivitäten werde seit den Terroranschlägen in den USA am 11. September registriert, sagte Karl Matthäus Schmidt, Sprecher des Vorstands, auf der Handelsblatt-Jahrestagung. " Für die kommenden Wochen erwarte er eine Belebung der Umsätze für die am Neuen Markt notierte Online-Broker. Mit Blick auf eine mögliche Partnerschaft mit einem Wettbewerber sagte Schmidt, sein Haus werde in den nächsten Wochen keine konkreten Aussagen machen.
Nach dem Boomjahr 2000 wurden die Kapazitäten ausgebaut, danach habe sich die Lage dramatisch verschlechtert: Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent hätten man hinnehmen müssen, in Deutschland wurden bereits 300 Mitarbeiter entlassen, weitere 800 folgen. Schmidt glaubt aber, dass die Anleger wieder Vertrauen aufbauen werden. Durch das Internet biete sich die Chance, in ganz Europa präsent zu sein, erklärt Schmidt weiterhin.
Dr. Herbert Walter, Sprecher des Vorstandes, Deutsche Bank 24 AG, Frankfurt sieht für Finanzdienstleister immer mehr Druck. Mehrere Geschäftsmodelle stünden zurzeit im Wettbewerb, der Sieger habe sich aber noch nicht herausgestellt. Online-Angebote allein ist seine Meinung nach jedoch unzureichend, Beratung sei wieder gefragt.
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