Oliver Wyman-Studie zur Energiewende in Deutschland
Energieversorger müssen Kundenverständnis stärken
München/Berlin (ots)
- Mehr als 75 Prozent der Befragten befürworten die deutsche Energiewende - Investitionsbereitschaft von Privathaushalten und Industrieunternehmen bleibt abhängig von Förderhöhe - Um erfolgreich partizipieren zu können, müssen Energieversorger die Kundenbedürfnisse besser verstehen - Einfache, maßgeschneiderte Lösungen sind unverzichtbar
Die Energiewende stößt in Deutschland auf breite Zustimmung. Mehr als drei Viertel der von Oliver Wyman befragten Privathaushalte, Energieversorger und Industrieunternehmen bewerten die Neuausrichtung des Energiesektors und die Vorreiterrolle Deutschlands positiv. Bei der Umsetzung aber sind noch einige Hürden zu nehmen. So wollen Haushalte und Industrieunternehmen ohne entsprechende Förderung nur bedingt in eigene, aber notwendige Kapazitäten zur Energieerzeugung investieren. Die Energieversorger wiederum sprechen sich insbesondere für stabilere gesetzliche Rahmenbedingungen aus. Gerade sie stehen indes vor der Herausforderung, sich im wandelnden Energiesektor neu zu positionieren. Für sie gilt es, vor allem ein besseres Kundenverständnis aufzubauen und einfache, maßgeschneiderte Produkte zu entwickeln sowie mit neuen Tools und Geschäftsprozessen die erforderlichen Veränderungen im Unternehmen herbeizuführen. Dies geht aus der aktuellen Oliver Wyman-Studie "Gesundheitscheck Energiewende - Folgen und Herausforderungen der Energiewende für Haushalte, Industrie und Energiewirtschaft" hervor, die heute im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt wurde. Die Studie basiert auf Einschätzungen von mehr als 1.000 Privathaushalten und über 120 Unternehmen aus Energiewirtschaft und Industrie in Deutschland.
Mit einem voraussichtlichen Investitionsbedarf von rund 310 bis 360 Milliarden Euro bis 2030 ist die Energiewende eines der größten Projekte in Deutschland. Die Akzeptanz in der Bevölkerung, bei Industrieunternehmen und Energieversorgern ist hoch. Durchweg begrüßt wird zugleich die Vorreiterrolle von Deutschland. Laut der aktuellen Studie von Oliver Wyman, die in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München durchgeführt wurde, messen die befragten Privathaushalte der Neuausrichtung des Energiesektors große Bedeutung bei. Immerhin 58 Prozent würden ihre Wahlentscheidung vom Thema Energiewende abhängig machen. Aus Sicht der privaten Haushalte leistet die Energiewende zudem einen wichtigen Beitrag, um die Belastung der nächsten Generation zu reduzieren (94 Prozent), Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen (95 Prozent), die Wettbewerbsfähigkeit zu halten und auszubauen (94 Prozent), Unabhängigkeit von Energieimporten aus dem Ausland zu gewährleisten (94 Prozent), die Abhängigkeit von Stromkonzernen zu verringern (91 Prozent) und die Klimaschutzziele zu erreichen (93 Prozent).
Erfolg der Energiewende kein Selbstläufer
Der breiten Zustimmung zum Trotz ist das Gelingen der Energiewende kein Selbstläufer. So glauben 49 Prozent der privaten Haushalte nicht an eine erfolgreiche Realisierung der Energiewende. Für zahlreiche Privathaushalte ist zudem die Umsetzung problematisch: 80 Prozent empfinden die steigenden Strompreise als starke Belastung. Obwohl eine klare Mehrheit grundsätzlich zu Investitionen in erneuerbare Energien bereit ist - neben Photovoltaik und Erdwärme steht dabei Windkraft hoch im Kurs -, wollen sich 66 Prozent nur bei einer entsprechenden Förderung engagieren. Und selbst dann ist ihre Investitionsbereitschaft eher schwach ausgeprägt. 40 Prozent wollen lediglich maximal 1.000 Euro in grüne Technologien investieren. Zugleich ist der Anspruch an die Amortisationszeit hoch. 32 Prozent erwarten, dass sich ihre Investitionen innerhalb von drei Jahren rechnen. Eine Amortisation innerhalb von fünf Jahren versprechen sich zusätzliche 30 Prozent.
Mehr Eigeninitiative bei Industrieunternehmen nötig
Skepsis zeigt sich auch bei Industrieunternehmen. Rund 70 Prozent rechnen im Rahmen der Energiewende mit höheren Energiebeschaffungskosten. Dennoch wollen 67 Prozent der Industrieunternehmen keine eigenen Kapazitäten zur Energieerzeugung aufbauen. Allerdings geben alle Befragten an, dass eine entsprechende Förderung ihre Investitionsbereitschaft erhöhen könnte.
Investitionswillige Industrieunternehmen wiederum setzen vorrangig auf erneuerbare Energien, um das Firmenimage zu verbessern (77 Prozent) und Kosten zu senken (62 Prozent). Fast 90 Prozent sehen Blockheizkraftwerke, 65 Prozent Photovoltaikanlagen und 59 Prozent Erdwärme als attraktive Investitionsobjekte an.
"Unsere Studie zeichnet ein klares Bild", erklärt Thomas Fritz, Principal und Energieexperte bei Oliver Wyman. "Die Energiewende findet in Deutschland zwar großen Anklang, wird jedoch weiterhin wesentlich vom Förderregime abhängen."
Politische Rahmenbedingungen reichen nicht aus
Größter Kritikpunkt der Energieversorger sind die politischen Rahmenbedingungen, die aus ihrer Sicht für die Neuausrichtung des Energiesektors nicht ausreichen. Die 2014 vorgenommenen Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) halten 83 Prozent für wirkungslos oder negativ. Darüber hinaus sehen sie deutliche Defizite bei weiteren zentralen Faktoren. So rechnen lediglich 30 Prozent der befragten Energieversorger damit, dass der erforderliche Netz- und Speicherausbau in absehbarer Zeit realisiert ist.
Dennoch beurteilen die Energieunternehmen ihre eigenen Zukunftsperspektiven sehr optimistisch. 83 Prozent der Befragten halten sich für die anstehenden Herausforderungen gut vorbereitet. 65 Prozent sehen große Chancen im Vertrieb. Ihre Zukunft in der Strom- und Wärmeerzeugung hingegen bewerten 30 Prozent negativ, 23 Prozent sogar sehr negativ.
Bei ihren Investitionsplänen in die neuen Aktivitäten oder den weiteren Ausbau des Unternehmens im Bereich grüner Technologien setzen Energieversorger hauptsächlich auf Onshore-Windkraft: Entsprechende Anlagen halten 79 Prozent für attraktiv. Photovoltaik steht bei 44 Prozent im Fokus. Darüber hinaus haben Energieversorger klare Vorstellungen, welche Rolle sie im Rahmen ihres Engagements bei Onshore-Windkraft und Photovoltaik spielen wollen. Sie streben ein Engagement als wirtschaftlicher und technischer Betreiber an. Mehr als 60 Prozent sehen sich dafür gut gerüstet.
Energieversorger müssen handeln
Von heute auf morgen wird es den Energieversorgern nicht gelingen, sich im wandelnden Energiesektor neu zu positionieren und Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Ihre Produkte sind häufig noch zu technikorientiert und bilden die Bedürfnisse der Kunden nicht ausreichend ab. Für Energieversorger hat es daher höchste Priorität, ein besseres Kundenverständnis zu entwickeln und vor allem einfache und maßgeschneiderte Produkte zu schaffen, die regionale Besonderheiten berücksichtigen. Darüber hinaus sind Veränderungsprozesse in Form von innovativen Vertriebstools und Geschäftsmodellen im eigenen Unternehmen voranzutreiben.
"Soll das Großprojekt Energiewende auch für Energieversorger ein Erfolg werden, müssen sie mit neuen Produkten und Geschäftsmodellen punkten", betont Jörg Stäglich, Partner im Energiebereich bei Oliver Wyman. "Die Voraussetzungen für die Etablierung neuer Lösungen sind gut. Dies zeigt die breite Akzeptanz für die Energiewende in Bevölkerung und Industrie."
Über die Oliver Wyman-Studie
Die Oliver Wyman-Studie "Gesundheitscheck Energiewende - Folgen und Herausforderungen der Energiewende für Haushalte, Industrie und Energiewirtschaft", die in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München entstanden ist, basiert auf Einschätzungen von mehr als 1.000 Privathaushalten und über 120 Unternehmen aus Energiewirtschaft und Industrie in Deutschland. Beleuchtet wurde unter anderem, wie Privathaushalte, Industrieunternehmen und Energieversorger zur Energiewende stehen und inwiefern die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen eine erfolgreiche Realisierung des Wandels unterstützen. Die Studie wurde im Zeitraum von September bis November 2014 durchgeführt.
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