Kräftemessen in der Konsumgüterbranche: Angriff der Microbrands
München/Berlin (ots)
David gegen Goliath: Agil, fokussiert und mit dem Kunden fest im Blick greifen Microbrands weltweit etablierte Marken an. Noch dominieren die Etablierten die deutsche Konsumgüterbranche - sei es im Bereich Sportartikel, Drogeriewaren oder Lebensmittel. Doch sie müssen sich rüsten. Denn bereits in fünf Jahren könnte der Marktanteil der Microbrands von heute vier bis fünf Prozent auf ein Viertel des deutschen Gesamtmarkts ansteigen. Damit sind sie in der Lage, die "Goliaths" einer Branche in existenzielle Schwierigkeiten zu bringen.
Sie heißen EOS, Allbirds oder Away und starten den Angriff auf die großen Konsumgüterhersteller. Mit Umsätzen von bis zu 100 Millionen Euro im Jahr sind Microbrands im Schnitt 266-mal kleiner als die etablierten Marken im Konsumgüterbereich, wachsen aber 19-mal stärker. Heute beträgt ihr Marktanteil nur vier bis fünf Prozent. 2025 könnten sie bereits ein Viertel des Umsatzes in der deutschen Konsumgüterbranche ausmachen. Microbrands bedienen zwar Nischenmärkte - bieten etwa lediglich ein bestimmtes Sneakermodell oder eine spezielle Kaffeemaschine an. Dennoch könnten sie den Großen durchaus schaden. "Eine Microbrand alleine wird keine große Marke zu Fall bringen", sagt Martin Schulte, Partner bei Oliver Wyman. "Doch wenn mehrere Segmente eines etablierten Unternehmens angegriffen werden, kann das durchaus Umsatzeinbußen nach sich ziehen. Oft erkennen die Etablierten die neuen Wettbewerber zu spät, und unterschätzen sie noch häufiger."
Microbrands spielen nach anderen Regeln
Was ist das Geheimnis der agilen Angreifer? Microbrands spielen nach anderen Regeln und wissen um die Schwächen der Etablierten. Einige zentrale Regeln in Handel und Konsumgüterindustrie haben sich geändert und befeuern diesen Trend. Für den Markenaufbau zählt ein kluger Mix aus Marketingkanälen, der den Social-Media-Auftritt und zielgruppengeeignete Testimonials umfasst - Bereiche, in denen Microbrands oft stärker sind. Auch das Verhältnis zwischen Marke und Händler wandelt sich zum Nachteil der Etablierten. Im Zeitalter von E-Commerce gewinnen oft die Kleinen, die meist unabhängig von ihrer Größe einen Onlineshop betreiben können und sich ohne Gegendruck der großen Hersteller bei Onlinehändlern positionieren. "In puncto Innovation stehen die Kleinen den Großen um nichts nach. Microbrands widmen sich ihren Produktideen mit gebündelter Leidenschaft", weiß Schulte.
Wenngleich Microbrands Konsumenten erlauben, sich zu differenzieren und "anders zu sein", so bergen sie auch Risiken. "Viele der Unternehmen verschwinden schnell wieder vom Markt. Dann hat man keine Gewährleistung oder Reparaturversprechen", sagt Schulte. "Gerade bei den Beauty-Start-ups gab es Fälle, bei denen Konsumenten gesundheitliche Probleme und Hautirritationen bekommen haben - das würde bei einer etablierten Marke nie passieren."
Dennoch: Besonders in den Kategorien Sport und Hobby, Brillenmode, Gesundheit, Haus und Garten sowie bei Getränken setzen Microbrands sich bereits jetzt erfolgreich gegen etablierte Hersteller durch. "Wir erwarten, dass die großen Marken in den nächsten Jahren auch bei Tierzubehör, Schönheit und Pflege, Luxuswaren sowie Unterhaltungselektronik vermehrt Anteile an Microbrands verlieren werden", sagt Schulte.
Vorteile ausspielen
Anhand von vier Ansätzen können etablierte Hersteller ihre Vorrangposition stärken:
1. Vielfalt zulassen: Große Markenhersteller können ihre Position festigen, indem sie neue Segmente besetzen und sich so selbst zum Disruptionstreiber entwickeln. 2. Akquisitionen steigern: Zukäufe sind teuer. Gleichzeitig sind sie aber auch der schnellste und flexibelste Weg für große Marken, ihre Fähigkeiten auszubauen und sich gegen Bedrohungen zu schützen. 3. Innovationen vorantreiben: Etablierte Unternehmen können Microbrands ihr eigenes Innovationspotenzial entgegensetzen und selbst neue Marken hervorbringen. 4. Kooperationen eingehen: Eine Partnerschaft kann für beide Seiten vorteilhaft sein - die Kleinen erhalten Zugang zu den Ressourcen der Großen, während diese ihre Stellung durch zusätzliche Einnahmequellen sichern.
Ohne zu handeln werden die "Goliaths" den Microbrands nicht trotzen können. "Auch etablierte Markenhersteller können vom Markt verschwinden. Jetzt ist die Zeit, um auf Risiken zu reagieren, die von den kleinen Innovationstreibern ausgehen, und die Chancen zu nutzen, die eben diese bieten", so Schulte.
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