Unfall- und Unfallkostenanalyse im Reisebusverkehr: Neue Studie erlaubt Schlüsse zum Unfallgeschehen
Busse sicheres Verkehrsmittel
600 DEKRA-Gutachten als Datenbasis
Stuttgart (ots)
Die von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in Auftrag gegebene Studie "Unfall- und Unfallkostenanalyse im Reisebusverkehr" erlaubt erstmals, detaillierte Schlüsse aus dem Unfallgeschehen mit Reisebussen zu ziehen. Am Freitag, 10. März 2000, wurde die Studie von den Projektverantwortlichen der DEKRA Automobil AG und SSP Consult sowie der BASt und vom Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) in der DEKRA-Hauptverwaltung in Stuttgart der Öffentlichkeit vorgestellt.
"Die Studie belegt eindeutig, dass der Reisebus im Vergleich mit anderen Beförderungsmitteln ein sehr sicheres Verkehrsmittel ist. Das ist bemerkenswert, denn Reisebusunfälle sind immer dann in den Schlagzeilen der Medien präsent, wenn einzelne schwere Unglücke passieren", so Klemens Große-Vehne, Vorstandsvorsitzender der DEKRA Automobil AG. Die Einführung von Sicherheitsgurten auf allen Plätzen von neuen Reisebussen im Jahr 1997 sei ein wichtiger Meilenstein für mehr Sicherheit gewesen. Jedoch müssten Reisebus-Insassen und -Fahrer diese und andere Sicherheitseinrichtungen nun auch konsquent nutzen, fordert Große-Vehne.
Dr. Gerd Hundhausen, der wissenschaftliche Leiter der Studie bei der BASt, referierte über den Stand der Forschung bis 1995. Da bis zu diesem Zeitpunkt die Kategorie "Reisebus" in den amtlichen Verkehrsstatistiken nicht gesondert geführt worden war, lagen lediglich Zahlen zu Unfällen in allen Buskategorien vor. Danach war in der ersten Hälfte der 90-er Jahre die Zahl der verletzten oder getöteten Businsassen in Deutschland nahezu konstant geblieben. 1996 wurden beispielsweise bei Busunfällen 4.700 Personen verletzt, davon rund 550 schwer und 24 tödlich.
Die Unfallfolgen sind im Mittel außerhalb von Ortschaften schwerwiegender als innerorts, wobei allerdings die Unfallbeteiligungsrate (diese errechnet sich aus der Anzahl der Unfälle bezogen auf die Kfz-Fahrleistung), außerorts wesentlich geringer ist als für andere Kraftfahrzeuge. Dort erbringen Reisebusse den größten Teil ihrer Fahrleistung. Das Resümee der Studie für diesen Zeitraum: "Die zitierten Unterlagen zeigen auf, dass Busse insgesamt ein sehr sicheres Transportmittel sind".
Dipl.-Ing. F. Alexander Berg, Leiter Unfallforschung/Crashzentrum der DEKRA Automobil AG und Mitautor der Studie, stellte in seinem Vortrag das gemeinsame Projekt vor. Die Untersuchung stützt sich einerseits auf die Ergebnisse einer Befragung von Busunternehmern aus dem Jahr 1995 und knapp 600 DEKRA-Gutachten, andererseits auf Kennzahlen der amtlichen Statistik.
An der Befragung hatten sich rund 100 deutsche Reisebusunternehmer mit insgesamt 670 Reisebussen beteiligt. Dies entspricht einem Anteil von 3,3 Prozent der insgesamt zugelassenen Reisebusse und einer Gesamtfahrleistung von rund 48 Millionen Fahrzeugkilometern. In Deutschland sind rund 19.000 Reisebusse zugelassen. Jeder von ihnen erbringt eine Fahrleistung von mehr als 67.000 Kilometern. 27 Prozent der Betriebe gaben an, einen oder mehrere Unfälle gehabt zu haben; von den insgesamt 275 Unfällen waren zehn mit Personenschaden zu verzeichnen.
Aus den mitgeteilten Unfallzahlen, den dabei verletzten Insassen und der erhobenen Fahrleistung aller Unternehmen ließ sich die Unfallbeteiligungsrate beziehungsweise Verunglücktenrate errechnen. So kommen auf eine Milliarde Fahrzeugkilometer 200 Unfälle und 267 Verunglückte innerhalb Deutschlands. Ein Vergleich mit der amtlichen Unfallstatistik aus dem gleichen Jahr zeigt, dass die tatsächlichen Unfallbeteiligungs- und Verunglücktenraten etwa doppelt so hoch liegen. Eine Erklärung dafür mag in der geringen absoluten Unfallzahl mit Personenschaden der befragten Betriebe liegen, könnte aber auch in der Sensibilität des Themas begründet sein. Dabei sei gerade zwischen Busunternehmen und Forschung eine intensive Zusammenarbeit zur Verbesserung der Sicherheitsstandards wichtig, wie Dr. Hundhausen betonte.
Wichtiger Teil der Projektstudie war die Auswertung von DEKRA-Gutachten. 539 von DEKRA-Sachverständigen erstellte Schadengutachten und 49 unfallanalytische Gutachten für die Jahre 1995/96 bildeten die Basis, für die Ermittlung des typischen Reisebusunfalls. Statistisch gesehen ereignen sich Unfälle mit Reisebussen am häufigsten tagsüber unter der Woche, überwiegend in den Sommermonaten, auf gerader Strecke bei trockener Witterung im Längsverkehr. In etwa 50 Prozent der Fälle mit mindestens zwei Beteiligten verschuldete der Busfahrer den Unfall; als häufigste Ursachen erwiesen sich zu geringer Sicherheitsabstand und überhöhte Fahrgeschwindigkeit. Jeder zehnte Unfall geschah ohne weitere Beteiligte.
Ein Datenabgleich mit der amtlichen Statistik für den gleichen Zeitraum ergab jedoch eine fehlerhafte Zuordnung von Unfällen im Reisebusverkehr. Das heißt, mehr als zwei Drittel der bei DEKRA für 1996 vorliegenden Reisebusunfälle (26 Unfälle) waren in der amtlichen Statistik nicht als Reisebusunfälle enthalten. Somit kann für das Jahr 1996 nur von Orientierungswerten ausgegangen werden, da die geprüfte Fallzahl sehr gering ist. Von daher ist eine Validierung der quantitativen Aussagen anhand der Unfalldaten aus den Folgejahren unbedingt erforderlich.
Das Fazit zur Verkehrssicherheit von Reisebussen kann als positiv angesehen werden: Es lässt sich ein Trend zur Abnahme der bei Unfällen getöteten oder schwer verletzten Insassen feststellen: 1998 verunglückte laut amtlicher Statistik in Deutschland nur noch eine Person tödlich; 1997 waren es noch neun. Außerdem zeigt der Vergleich mit Beförderungsalternativen, dass bei Reisen bis zu 500 Kilometer Entfernung das Risiko, mit dem Reisebus zu verunglücken, etwa sechsmal geringer ist als mit dem Pkw.
Dr. Lothar Neumann von SSP Consult - Beratende Ingenieure, Stuttgart, und Mitautor der Studie, stellte anhand der Ergebnisse einen Risikovergleich mit anderen Beförderungsalternativen an. Im Entfernungsbereich 500 km sind Bus- und Bahnreisen beim Unfallrisiko nahezu gleich sicher. Pkw-Reisen sind demgegenüber wesentlich risikoträchtiger (das Unfallrisiko ist etwa sechs mal so hoch wie bei der vergleichbaren Busreise). Auch bei größerem Entfernungsbereich sind Bus- und Bahnreisen relativ risikoarm. Noch risikoärmer sind Flugreisen, wenn die Anfahrt zum Flughafen mit der Bahn oder mit dem Bus und die Weiterreise am Zielflughafen ebenfalls mit Bahn oder Bus erfolgen. Die Zu- und Abfahrt mit dem Pkw wirkt sich sehr negativ auf den Risikovergleich aus, denn in diesen Fall sind Flugreisen riskanter als Bus- oder Bahnreisen. "Dies verdeutlicht, daß für das Unfallrisiko eines Passagiers im Fernreiseverkehr die Wahl des Hauptverkehrsmittels zwischen Reisebus, Bahn oder Flugzeug oft weit weniger bedeutsam ist als die Wahl des Verkehrsmittels für Zu-/Abgang (Bahn oder Pkw)", so Dr. Neumann.
In seinem abschließenden Statement gab der Geschäftsführer des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer, Rolf Schmid, einen Überblick über die Sicherheitsstandards, die Busunternehmer einzuhalten haben: Mit der Einführung der Sicherheitsprüfung hat ein drei Jahre alter Bus fünf technische Prüfungen jährlich zu absolvieren, was von den Gewerbeaufsichtsämtern und den Berufsgenossenschaften regelmäßig kontrolliert wird. Fahrer über 50 Jahre sind zu einer eingehenden medizinischen Prüfung alle fünf Jahre verpflichtet. Kontrollen finden auch auf den Straßen zur Überprüfung des technischen Zustands der Busse und zur Einhaltung der Fahrerruhepausen statt. Seit 1997 müssen neue Reisebusse über 3,5 Tonnen mit Sicherheitsgurten ausgestattet sein. Ähnlich wie im Flugzeug werden zunehmend Unfalldatenspeicher in Reisebusse eingebaut.
Die Studie "Unfall- und Unfallkostenanalyse im Reisebusverkehr" ist im September 1999 in der Unterreihe "Mensch und Sicherheit" der "Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen" erschienen; Projektbetreuer war Dr. Gerd Hundhausen; Autoren: Alexander Berg, Walter Niewöhner (DEKRA Automobil GmbH), Lothar Neumann, Petra Hofmann, Bernd Schaaf (SSP Consult).
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