DEKRA Studie im Auftrag der BASt zum Brandschutz in Reisebussen: Hohes Sicherheitsniveau - mit Verbesserungspotenzial
Stuttgart (ots)
Im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat die DEKRA Unfallforschung eine Studie (*) zum "Brandverhalten der Innenausstattung von Reisebussen" durchgeführt. Moderne Reisebusse haben beim Brandschutz bereits einen hohen Sicherheitsstandard, die Fahrgäste könnten aber mit relativ geringem Aufwand noch besser vor Bränden und giftigen Gasen geschützt werden. Die Unfallforscher empfehlen u.a. den Einbau von automatischen Brandmeldesystemen, die Kombination von Pulver- und Schaumlöschern sowie detaillierte Sicherheitsinformationen für die Fahrgäste.
Die Europäische Richtlinie 95/28EG schreibt seit 1999 für Reisebusse Prüfungen des Brandverhaltens von Innenraumkomponenten vor. Die Anforderungen an das Brandverhalten von Werkstoffen im Innenraum geben reale Brände als prüftechnisches Szenario aber nur näherungsweise wieder. Dabei wird nach Ansicht der Forscher dem Einbauort der Materialien zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Zur Verringerung der Brandausbreitungsgeschwindigkeit und des daraus resultierenden Gefährdungspotenzials sind neue, zulassungsrelevante Kriterien erforderlich.
Bei der Verbrennung der Werkstoffe - insbesondere von Kunststoffen - entstehen giftige Rauchgase. Hierzu gibt es bis heute für den Reisebussektor, wie auch für den gesamten übrigen Kraftfahrzeugsektor, keine Vorschriften. Zur Weiterentwicklung des bestehenden Regelwerkes können Anleihen an den praxisnahen Prüfverfahren aus anderen Verkehrsbereichen - primär dem Eisanbahnwesen - gemacht werden.
Die meisten Brände entstehen im Motorraum
Vor dem Hintergrund einer Verkehrsleistung von 3,7 Mrd. Kilometer pro Jahr und einer Beteiligung lediglich von 1,6 Prozent an allen Straßenverkehrsunfälle ist der Bus als eines der sichersten Verkehrsmittel einzustufen. Brände in Reisebussen sind relativ selten. Laut Statistik des GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) ereigneten sich im Jahr 1999 in Deutschland 190 Reisebusbrände.
Wie die detaillierte Auswertung von 55 Reisebusbränden aus den Jahren 1999 bis 2003 in einer neu aufgebauten Datenbank der DEKRA Unfallforschung ergab, tritt die Mehrzahl der Brände (84 Prozent) während der Fahrt auf. Die meisten Brände (76 Prozent) breiteten sich vom Motorraum her aus und sind zu einem großen Teil (38 Prozent) auf Undichtigkeiten in der Kraftstoff- und Ölversorgung zurückzuführen. Bei 15 Prozent der Fälle lag der Brandherd im Innenraum des Busses. Diese Bände werden überwiegend durch Störungen des elektrischen Bordnetzes oder der angeschlossenen Elektrogeräte (wie zum Beispiel Heißwassergeräte oder elektrische Zusatzheizungen) ausgelöst. Relativ selten sind Busbrände durch Kollisionen mit anderen Fahrzeugen.
Gefahr durch Feuer und Rauchgase
Die größte Gefahr für Fahrgäste und Fahrer geht bei einem Busbrand von der Ausbreitung giftiger Rauchgase aus. Bei den häufigeren Bränden im Motorraum besteht ein geringeres Risiko für die Fahrzeuginsassen als bei den selteneren Bränden im Fahrgastinnenraum. Der Grund: Der Brand im Motorraum dringt erst über (Kabel-) Schächte, Lüftungskanäle oder entflammte Bauteile in den Fahrgastraum vor. Entsteht der Brand dagegen im Fahrgastraum, kann sich der Rauch sehr schnell ausbreiten und setzt so die Passagiere unmittelbar dem Brand sowie den gebildeten, toxischen Gasen aus. Brandversuchen von DEKRA zeigen, dass es bereits nach kurzer Branddauer zu Reizungen der Atemwege kommt, wenn bestimmte Innenraummaterialien betroffen sind.
Sichtbehinderungen durch Rauch und eventuell einsetzende Panikreaktionen der Betroffenen erschweren die Evakuierung zusätzlich. Zudem werden Verletzungen der Passagiere durch deren Fehlverhalten begünstigt Diese Verletzungen wären durch Beachten von einfachen Sicherheitsregeln vermeidbar gewesen. Beispielsweise kehrten bereits in Sicherheit befindliche Passagiere in den schon stark verrauchten Bus zurück, um Gepäckstücke aus dem Innenraum zu holen. Die Unfallforscher von DEKRA stellten weiter fest, dass mehrere Busfahrer im Umgang mit Feuerlöschern nur unzureichend geschult sind.
Reale Szenarien noch nicht ausreichend berücksichtigt Die Unfallforscher schlagen vor, die geltenden Vorschriften zur Brandschutzprüfung in Reisebussen an aktuelle Normen aus anderen Verkehrsbereichen wie beispielsweise dem Eisenbahnwesen anzupassen. Die bisherigen Prüfverfahren für Busse fordern lediglich begrenzte Brandschutzprüfungen, die sich auf einzelne Materialien beschränken. Tatsächliche Szenarien der Entstehung sowie Ausbreitung von Bränden und Rauchgasen im Fahrgastraum werden dabei nur unzureichend berücksichtigt. Da Rauchgase in der Regel zu einer früheren Gefährdung der Fahrgäste führen als Flammen, müssen die Bildung und Ausbreitung der Gase in die Prüfung einbezogen werden.
Ein wirkungsvoller Brandschutz soll künftig auch das Brandverhalten der gesamten Innenausstattungen berücksichtigen. Dabei sind auch Kombinationen verschiedener Materialien und die Anordnung von Bauteilen unter dem Aspekt des Brandschutzes zu prüfen. Weiter wurden Verbesserungspotenziale für die Verlegung und Befestigung elektrischer Kabel sowie Kraftstoff- und Ölleitungen im Bus ausgearbeitet. Die konstruktive Trennung betriebsbedingt heißer Bauteile zu benachbarten Baugruppen sowie der Einsatz von Dämmstoffen sollte verbessert werden.
Umfangreicher Maßnahmenkatalog
Über die Aktualisierung des Brandschutz-Regelwerks hinaus schlagen die Experten von DEKRA zur Verbesserung des Brandschutzes in Bussen einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vor. Sie empfehlen den Einbau von Wärmemeldern im Motorraum und optischen Rauchmeldern im Fahrgastraum; die Branddetektoren sollten beim Fahrer sowie auf die Alarmanlage des Busses aufgeschaltet werden.
Zusätzlich zu eventuell im Bus installierten Löschanlagen sollten die Fahrzeuge sowohl mit Pulver- als auch Schaumlöschern ausgestattet werden, deren Zahl von Typ und Größe des Busses bestimmt wird. Die Fahrgäste sind nach Ansicht der Experten mit busspezifischen Sicherheits-Informationskarten in leicht verständlicher Form über Notausstiege, Feuerlöscher, Sicherheitsgurte und Rauchverbote zu informieren. Weiter empfehlen die Unfallforscher verbesserte Informationen zur Bordelektrik und die Installation eines automatischen Notrufs per GPS oder zukünftig Galileo.
(*) Zur Studie
Die Untersuchung wurde von der DEKRA Unfallforschung im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) durchgeführt Das Ziel bestand darin, die geltenden Vorschriften zur Brandschutzprüfung von Innenraummaterialien für Reisebusse zu prüfen und auf die Bereiche Brandschutz, Detektion und Brandbekämpfung auszuweiten. Die Studie erstreckt sich auf die Analyse realer Busbrände, die Befragung Betroffener, Expertengespräche, Literaturanalysen sowie die Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs zur Verbesserung der Brandsicherheit in Reisebussen. Für die Studie wurden 55 Busbrände aus dem Jahr 1999 ausgewertet, die in einer neu aufgebauten Datenbank der DEKRA Unfallforschung gespeichert sind.
Brandverhalten der Innenausstattung von Reisebussen Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Fahrzeugtechnik Heft 41 ISSN 0943-9307 ISBN 3-86509-161-X
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