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1. DEKRA Symposium "Aktive Fahrzeugsicherheit" in Klettwitz
Großes Potenzial für aktive Sicherheit - ZUSAMMENFASSUNG DER VORTRÄGE -

Klettwitz/Stuttgart (ots)

Neue Entwicklungen und Anforderungen
an aktive Fahrassistenzsysteme bei PKW und LKW standen im Mittelpunkt
des 1. DEKRA Symposiums "Aktive Fahrzeugsicherheit" am 26. und 27.
April 2005 im DEKRA Technology Center in Klettwitz. "Die
Möglichkeiten der passiven Sicherheit sind heute weitgehend
erschöpft", erklärt Prof. Dr.-Ing. habil. Kurt Rößner, Mitglied der
Geschäftsleitung der DEKRA Automobil GmbH, Stuttgart. Und weiter: "Um
das Ziel der EU zu erreichen, die Zahl der Verkehrstoten bis 2010 zu
halbieren, ist jetzt die Konzentration auf die aktive
Fahrzeugsicherheit notwendig." Das DEKRA Symposium soll dazu
beitragen, Anstöße für neue Entwicklungen zu geben und bestehende
Forschungsergebnisse zusammenzubringen. Diskutiert wurden neben der
Wirkungsweise bestehender Systeme vor allem das Potenzial für
Weiterentwicklungen und Prüfverfahren zur einheitlichen Bewertung.
Sieben Fachvorträge gaben den rund 60 Teilnehmern einen Einblick
in neueste Erkenntnisse und Forschungsprojekte. Referenten waren
anerkannte Experten aus Deutschland und den USA. Doch nicht nur
Theorie stand auf dem Programm: Die Teilnehmer konnten bei diversen
Fahrversuchen auf dem DEKRA Test Oval die Wirkungsweise verschiedener
aktiver Sicherheitssysteme, wie Notbremssystem, Abstandsregel- und
Spurhalteassistenten oder Aktivlenkung erproben. Die ABS-Strecke, das
Skidpad und die Slalomstrecke auf dem DEKRA Test Oval boten hierfür
optimale und realistische Bedingungen.
"Die Vision des unfallfreien Fahrens setzt substanzielle
Verbesserungen der Verkehrssicherheit voraus", sagt Dipl.-Ing.
Wolfgang Löschner, Leiter des Automobil Test Centers (DATC) in
Klettwitz. "Einen wichtigen Beitrag dazu leistet das 2003 errichtete
DEKRA Technology Center (DTC). Im Bereich der aktiven Sicherheit
werden hier Methoden und Möglichkeiten zur Entwicklung der
Fahrzeugsicherheit untersucht und getestet. Die Kombination von
Nutzfahrzeug und PKW und insbesondere von Theorie und Fahrversuchen
ist das besondere und einmalige Highlight dieser Veranstaltung." Der
Experte verdeutlichte in seinem Vortrag wie die unterschiedlichen
Teststrecken dazu genutzt werden, das Fahrverhalten in verschiedenen
Situationen zu untersuchen und beispielsweise Assistenzsysteme zu
bewerten.
Eine Fahrt mit einem Unfall kann in verschiedene Phasen eingeteilt
werden.  "Besonders effektiv kann die aktive Sicherheit in den Phasen
eingesetzt werden, in denen ein Zusammenstoß noch vermeidbar ist",
sagt Dr.-Ing. Joachim Scholten, Referent Verkehr und Umwelt von der
BMW Group in München. "Ist ein Unfall schon unausweichlich, so können
sowohl Funktionen der aktiven wie auch der passiven Sicherheit
greifen, nach dem Kontakt kommt nur noch die passive Sicherheit zum
Tragen. Ziel der Forschung muss es sein, durch Vernetzung von
Informationen aus der Umwelt mit den Möglichkeiten des Fahrzeugs und
den Anforderungen des Fahrzeugführers einen Informationspool für den
Fahrer zu erzeugen."
Erfolg können aktive Sicherheitssysteme nach Ansicht des
BMW-Experten aber nur dann haben, wenn sie über hohe Qualität und
eine zufrieden stellende Nutzbarkeit verfügen. Das System dürfe dabei
aber keine Zwänge ausüben, die der Fahrer nicht akzeptiert. Im
Bereich der aktiven Sicherheit sieht Scholten in
Scheinwerferkonstruktionen, die sich den Fahrverhältnissen anpassen
und einer variablen Lenkübersetzungen geeignete Mittel um die Fahrt
für den Fahrer angenehm und konzentriert zu gestalten.
Assistenzsysteme die vor Gefahren warnen, können die kognitive
Belastung des Fahrers reduzieren, indem beispielsweise das Verlassen
der Fahrspur angezeigt wird oder Bremslichter eingesetzt werden, die
Auskunft über die Stärke der Bremsung geben. Kommt der Fahrer dennoch
in eine kritische Situation so können automatische Eingriffe wie
elektronische Stabilitätsprogramme den Fahrer unterstützen. Der
Experte betonte, Fahrassistenzsysteme sollten nicht nur einen Beitrag
zur Erhöhung der Sicherheit leisten, sondern auch die Freude am
Fahren sicherstellen.
"Auf dem nordamerikanischen Markt sind für mittlere Nutzfahrzeuge
und Busse derzeit hydraulische Bremskraftverstärker üblich, die den
erforderlichen Druck aus dem Lenksystem beziehen und normalerweise
mit mineralischer Bremsflüssigkeit arbeiten", erklärt Prof. Dr.-Ing.
Sigmar Micke, von Robert Bosch, South Bend, USA. "Dieser Druck wird
dann für die konventionelle Zwei-Kreis-Bremsanlage verwendet, die mit
pflanzlicher Bremsflüssigkeit betrieben wird. So kommt es dazu, dass
mineralische und pflanzliche Bremsflüssigkeit in einem System
verwendet werden." Dieses System darf aber in Europa nicht eingesetzt
werden, da hier eine Trennung von Bremsen und Lenkung vorgeschrieben
ist.
Der Bosch-Experte stellte eine Weiterentwicklung des
amerikanischen Modells vor, bei dem der hydraulische
Bremskraftverstärker durch eine Pumpenspeicheranordnung ersetzt wird.
Hier erzeugen zwei unabhängige elektrische Pumpen für die beiden
Hydrauliksysteme mit jeweils einem Hochdruck-Akkumulator pro Kreis
den Bremsdruck. Mit diesem System entfällt die Verbindung zum
Lenksystem und damit die Anordnung von mineralischer und pflanzlicher
Bremsflüssigkeit in einem System. "Diese Entwicklung kann nicht nur
Denkanstöße für die europäische Entwicklung geben, sondern verbessert
auch die System-Reaktionszeiten und Anhaltewege im Vergleich zu den
in den USA verwendeten herkömmlichen Bremssystemen", so Micke.
Mit international genormten Testprozeduren zur Untersuchung des
Fahrverhaltens von Fahrzeugen setzte sich Prof. Dr.-Ing.
Egon-Christian von Glasner, Präsident der European Association for
Accident Research and Accident Analysis (EVU) aus Hamburg
auseinander. "Durch weltweit genormte Prüfprozeduren kann das
fahrdynamische Potenzial eines Fahrzeugs präzise definiert und
ausgebaut werden", so der Experte. "Seit der Einführung dieser
Prüfprozeduren 1970 ist die aktive Sicherheit auf den Gebieten
Lenken, Fahren und Bremsen  nachweislich gestiegen."
Nach Ansicht von Prof. von Glasner haben sich aus rund 20
denkbaren fahrdynamischen Prüfverfahren drei bis fünf Prüfprozeduren
zur Definition der Mindestanforderungen durchgesetzt, die
qualifizierte Aussagen über das fahrdynamische Verhalten eines
Fahrzeugs liefern können. Zur grundsätzlichen Information über das
fahrdynamische  Verhalten eines Fahrzeugs gehören zumindest Aussagen
über das stationäre Lenk- und Steuerverhalten  wie beispielsweise die
Definition von Untersteuern oder Übersteuern. Aber auch das
instationäre Übergangsverhalten wie ein Anreissen der Lenkung oder
ein schneller Fahrspurwechsel sollten berücksichtigt werden. Als
drittes Kriterium nennt von Glasner die Überlagerung von stationären
und instationären  Fahrvorgängen wie das Bremsen in der Kurve.
"Bei der stationären Kreisfahrt und beim Fahrspurwechsel sollte
eine Messung des Lenkradwinkels, der Querbeschleunigung, der
Giergeschwindigkeit und des Schwimmwinkels erfolgen", so von Glasner.
Beim Bremsen in der Kurve kann auf die Messung des Lenkradwinkels
nach Meinung des Experten verzichtet werden, dafür kommt eine
Erfassung der Längsverzögerung und des Bremsdruckes hinzu.
Nach Ansicht von Prof. Dr. Hans-Christian Pflug, Leiter der
Entwicklung Gesamtfahrzeug Mercedes-Benz LKW und System Chassis,
bleibt der LKW auch in Zukunft ein unverzichtbares Transportmittel.
Die Fahrer der derzeit mehr als 2,5 Millionen in Deutschland
zugelassenen LKW litten unter der zunehmenden Verkehrsdichte,
steigenden Anforderungen an die Transportleistung und Termindruck.
Nach Ansicht des Experten ist damit die Unfallgefahr sehr hoch.
"Neben den bestehenden Assistenzsystemen für LKW Spurassistenten oder
der Erfassung der Fahrzeugumgebung durch Radar- und Videosignale sind
weitere Systeme in Vorbereitung", so Prof. Pflug. "So zum Beispiel
ein Bremssystem zur Erkennung von Hindernissen und der Einleitung
einer Notbremsung, der Erkennung der Beschaffenheit von
Fahrbahnoberflächen zur Verbesserung der Bremswirkung oder ein
erweiterter Einsatz von optischen Systemen zur Optimierung der
Sichtverhältnisse."
Völlig neue Funktionen bietet nach Ansicht des Experten die
Verknüpfung verschiedener Sensorsignale, wie beispielsweise Bild und
Radar. "Die besondere Herausforderung dabei ist, dass ein
Nutzfahrzeug im Gegensatz zum PKW aus rein wirtschaftlichen
Gesichtspunkten betrachtet wird. Das bedeutet, dass sich der Einsatz
neuer Systeme auch betriebswirtschaftlich für ein Unternehmen lohnen
muss", meint Prof. Pflug.
Mit der Verfügbarkeit von Mikroprozessoren für Fahrzeuganwendungen
kam in den späten 70-er Jahren der Durchbruch für die Entwicklung von
intelligenten, elektronisch gesteuerten Sicherheitssystemen. Schon
1981 wurde das Anti-Blockier-System (ABS) auf den Markt gebracht, das
Vorreiter für alle späteren aktiven Sicherheitssysteme war. Darauf
aufbauend entwickelten sich verschiedene voneinander unabhängige
Systemarchitekturen, wie intelligente Bremssysteme, erweiterte
Regelung der Längsdynamik um die Querdynamik, die elektronische
Stabilitätsregelung sowie die Wank- und Kippstabilitätsregelung.
"Derzeit werden Systeme mehr und mehr vernetzt, um den Zugriff auf
Sensor-Informationen und berechnete Daten zu ermöglichen und so
Möglichkeiten für übergeordnete Regeleingriffe zu ermöglichen"
erklärt Dr.-Ing. Erwin Petersen, Mitglied der Geschäftleitung von
WABCO, Hannover. Als Beispiel für die Integration von
Sicherheitsfunktionen in intelligenten Netzwerken stellte der Experte
die Adaptive Geschwindigkeitsregelung mit integrierter
Abstandsregelung (ACC) vor. Während der Einsatz eines
Geschwindigkeitsreglers (Tempomat) im Stadtverkehr zu häufiger
Anpassung des gewünschten Geschwindigkeitswerts zwingt, hält der ACC
automatisch einen konstanten und sicheren Abstand ein.
Über in der Fahrzeugfront befindliche Abstandsensoren wird die
Fahrbahn ständig nach stehenden und bewegten Objekten abgesucht, die
für den eigenen Fahrzeugkurs relevant sind. Diese Werte werden an den
Längsregler übermittelt, der einen Beschleunigungs- oder
Verzögerungsbedarf ermittelt und Drehmomentanforderungen für den
Motor, die Motorbremse und den Retarder generiert. In Kombination mit
einem Automatikgetriebe werden auch Schaltkommandos und die
Betätigung der Radbremse in das Steuerungskonzept einbezogen. Eine
Vollbremsung ist allerdings noch nicht möglich. "Neben dem
Sicherheitsaspekt sorgt ACC auch für Fahrkomfort und zugleich für
eine umfassende Wirtschaftlichkeit durch verminderten
Kraftstoffverbrauch und weniger Abnutzung und Verschleiß von
Fahrzeugteilen", so die Erfahrung von Dr. Petersen.
"Während viele Systemkomponenten ständig verbessert werden, ist
und bleibt der "Faktor Mensch" das schwächste Glied im System", sagt
Christian Kellner, Hauptgeschäftsführer des Deutschen
Verkehrssicherheitsrats (DVR). "Viele Experten glauben man müsse
brenzlige Situationen trainieren, damit sie beherrschbar sind. Doch
sie vergessen dabei, dass die Fahrphysik ihre Gesetzmäßigkeiten hat:
Viele Situationen sind kaum beherrschbar, auch nicht mit bester
Fahrtechnik." Der DVR veranstaltet daher Sicherheitsprogramme, die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer so auf kritische Situationen und
Gefahren einstellen, dass sie diese rechtzeitig erkennen und in der
Lage sind, sie zu vermeiden. Kellner: "Wir stellen den Menschen in
den Mittelpunkt der Verkehrssicherheitsarbeit und heben dabei die
Partnerschaft und die Stärkung der Eigenverantwortung aller
Verkehrsteilnehmer hervor".

Kontakt:

Norbert Kühnl
Telefon direkt (0711) 78 61 - 25 12
Telefax direkt (0711) 78 61 - 27 00
E-Mail: norbert.kuehnl@dekra.com

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