RNZ: Rhein-Neckar-Zeitung, Heidelberg, zu: Bundestagswahl
Heidelberg (ots)
Trotz Kanzlervorteil und einer überragenden Popularität kann Angela Merkel diesen Vorteil nicht auf ihre Partei übertragen. Der Bonus marschiert zur FDP. Auf dramatische Weise schreitet die Erosion einer zwischen ihren früheren Abspaltungen eingeklemmten SPD fort. Von ihrem Niedergang profitieren Linke und Grüne. Den Volksparteien läutet das Totenglöckchen. Die zunehmende Fragmentierung der Gesellschaft hat die Mitte des Parteiensystem erreicht. Das wird Folgen haben. Doch zunächst: Angela Merkel und Guido Westerwelle haben ihr Ziel erreicht. Es heißt Politikwechsel. Der Wähler hat das Missverständnis von 2005 korrigiert, wonach eine Große Koalition die kraftvollste Regierungsform sei. Die schwarz-gelbe "Tigerente" allerdings erwartet eine bisher nie gekannte Herausforderung. Sie muss die soziale Marktwirtschaft gegen einen Raubtierkapitalismus durchsetzen, der die Grundlagen von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft existenziell bedroht hat. Angesichts eines historischen öffentlichen Schuldenberges und einer noch drohenden Heckwelle der Krise muss sie kreativ und gerecht Zukunft gestalten. Und ihr Motto wird lauten: Nicht alles ist möglich. Auch nicht alles, was versprochen wurde. Jetzt muss Merkel, mehr als an der Seite der SPD, Führungsqualität als Kanzlerin beweisen. Und die Rolle der "schwäbischen Hausfrau", mit der sie kokettierte, wird ihr näher an den Leib wachsen, als ihr lieb sein wird. Ihre zweite, wohl auch letzte Legislaturperiode, wird die wichtigere von beiden werden.
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