Das Erste: "W wie Wissen" am 28. Dezember 2008 um 17.03 Uhr im Ersten
München (ots)
Thema: Bionik - Die Natur als perfekter Lehrmeister
Den Lotus-Effekt ist der Klassiker der Bionik - und wir haben diesen Effekt immer wieder technisch kopiert, bei Fassadenfarben, Sanitätszubehör oder Autolacken. Aber die Natur bietet immer wieder neue Anregungen.
Trocken unter Wasser Die Wasserjagdspinne in den Regenwäldern Südamerikas hat sich auf Beute im Wasser spezialisiert und dafür einen Spezialtrick entwickelt: Dank der Mikrostruktur ihrer zahllosen winzigen Borsten hält sich um sie ein Luftpolster, das sie beim Untertauchen völlig gegen das Wasser abschirmt. Diese Unbenetzbarkeit ist für Bioniker sehr spannend. Deshalb hat sich am Nees-Instiut der Universität Bonn ein Forscherteam um Wilhelm Barthlott (der Entdecker des Lotus-Effektes) daran gemacht, das Geheimnis der Wasserspinne zu ergründen. Die Wissenschaftler haben dabei zum einen Textilien im Blick, die im Wasser trocken bleiben, und zum anderen Schiffsbeschichtungen. Denn Frachtschiffe mit Spinnenoberfläche würden auf einem Luftpolster durchs Wasser gleiten und nicht direkt mit dem Nass in Berührung kommen. Das setzt die Reibung herab, und das bedeutet Treibstoffersparnis.
Die Welt in Zahlen Wenn wir uns nur manche Fähigkeit aus der Natur abschauen könnten! Zum Beispiel bei Termiten: Das sind winzige Bioenergiekraftwerke, in deren Magen und Darm zehntausende Einzeller leben, die dort Zellulose, die die Termiten fressen, zu Zucker und damit zu reiner Energie umwandeln. Könnten wir das nachbauen, wir wären der Lösung unserer Energieprobleme wesentlich näher. Oder der kanadische Waldfrosch - er friert dank eines körpereigenen Frostschutzmittels im Winter kontrolliert ein und wartet so auf den Frühling - dann taut er ohne Schäden wieder auf. An die 12.000 Menschen warten in Deutschland auf ein neues Organ. Könnten wir das Frosch-Frostschutzmittel kopieren, würden Spenderorgane viel länger haltbar werden.
Bäume als Lehrmeister Bäume sind wahre Meisterwerke der Natur. Sie wachsen bis zu 130 Meter hoch und können bis zu 5000 Jahre alt werden. Sie sind damit die größten und langlebigsten Organismen der Erde. Der Bochumer Architekturprofessor Dieter Oligmüller hat, inspiriert von den Verästelungen und Anordnung der Blätter eines Baumes, eine Einkaufsstraße entworfen, deren Holzträger den Ästen und deren Glasdach Blättern nachempfunden sind. Wie der Baum seine Blätter, so nutzen die Glasplatten des Daches die Sonnenenergie Mit scheinbarer Leichtigkeit pumpen Bäume große Mengen an Wasser aus dem Erdreich bis in ihre Krone. Die Biologin Anita Roth-Nebelsick an der Universität Tübingen hat festgestellt: Wenn Wasser auf der Oberfläche der Blätter verdunstet, entsteht in ihren Zellen ein Unterdruck. Durch diesen wird stetig Wasser nachgesaugt. Forscher versuchen jetzt nach dem Vorbild der Bäume eine künstliche Saugfaser zu entwickeln. Und auch im Bereich Stabilität können wir von den Bäumen viel lernen.
Ein toller Hecht Der Elefantenrüsselfisch, heimisch in Westafrika, ist nachtaktiv - aber dank seines elektrischen Organs, einer Art Ferntastsinn, kann er nachts seine Beute finden. Er kann sogar zwischen verschiedenen Materialien unterscheiden und so z. B. Hindernisse erkennen. Und diese Fähigkeit wollen sich Herzchirurgen zunutze machen. Denn bei Eingriffen mit dem Herzkatheder geht es meist darum, die Herzkranzgefäße von Ablagerungen zu befreien. Und manche dieser Ablagerungen, die sogenannten Plaques, sind instabil, können aufplatzen und zum Infarkt führen. Die Gefahr hängt von der Struktur der Plaques ab. Nach dem Vorbild des Elefantenrüsselfischs wird jetzt ein Sensor am Katheder entwickelt, der zwischen stabilen und instabilen Plaques unterscheiden kann, ohne mit ihnen in Berührung zu kommen - soll kann ein Eingriff wesentlich sicherer werden.
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