Das Erste: Druckfrisch - Neue Bücher mit Denis Scheck Am Sonntag, 25. April 2010, um 23.50 Uhr
München (ots)
Arno Geiger: Alles über Sally Es sind die großen Themen der Literatur - aber man kann sie immer neu erzählen: Partnerschaft, Ehebruch, Sinnkrise. Der Wiener Autor Arno Geiger hat mit "Alles über Sally" ein großartiges Porträt einer Frau Anfang 50 gezeichnet, deren Leben aus den Fugen gerät. Sie fragt sich, warum sie jenen Alfred, neben dem sie jeden Morgen aufwacht, vor 25 Jahren überhaupt geheiratet hat; sie fängt eine Affäre mit dem besten Freund ihren Mannes an; sie hofft auf ein aufregenderes Leben - und wird bitter enttäuscht, aber auch das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Geigers Roman fragt nach den Lebensentwürfen einer Generation, die sich einmal als progressiv empfand und längst im bürgerlichen Alltag angekommen ist - in der aber die Frauen auch mit 50 noch Abenteuer riskieren, die für ihre Vorgängerinnen unvorstellbar waren. Und obwohl unsere Zeit sich so frei wähnt wie keine zuvor, geht es um Moral, um Treue, Verrat und Betrug. Von all dem erzählt Arno Geiger, ernst, aber in einem leichten Tonfall. "Alles über Sally" - einer der gelungensten deutschsprachigen Romane des Frühjahrs!
Andrea Camilleri, Die Farbe der Sonne Vor 400 Jahren ist ein Maler gestorben, den wir heute zu den faszinierendsten Gestalten der Kunstgeschichte rechnen: Caravaggio. Meister der dramatischen Lichteffekte, seine Bilder mal blutrünstig, mal inbrünstig, aber immer von einer überwältigenden Sinnlichkeit. Auch sein Leben war reich an Dramatik: des Mordes verdächtig, musste der erfolgreiche Künstler bei Nacht und Nebel aus Rom fliehen, verbrachte seine letzten Jahre auf Malta und Sizilien und starb mit nur 39 Jahren. Wenn das kein Stoff für einen Krimi ist! Das hat sich auch Andrea Camilleri gedacht. Italiens bekanntester Krimi-Autor legt im Jubiläumsjahr einen spannenden Caravaggio-Roman vor, in dem er in seiner sizilianischen Heimat auf ein unbekanntes Tagebuch des Malers stößt, das ihm und uns endlich die Rätsel der späten Jahre löst. Ist das Tagebuch echt? Oder wird ihm eine Fälschung angeboten? Die Texte klingen so authentisch, als würde tatsächlich Caravaggio aus ihnen sprechen - der Umgetriebene, der Besessene, das Genie. Jenseits aller kunsthistorischen Betrachtungen und doch kenntnisreich und detailgenau recherchiert, entwirft Camilleri das Lebensbild des Malers noch einmal neu. "Die Farbe der Sonne" - wenn schon Künstlerroman, dann bitte so!
Melanie Mühl, Menschen am Berg Nur an wenigen Orten in unserer zentralbeheizten, durchorganisierten, technischen Zivilisation treffen Mensch und Natur noch unmittelbar aufeinander. Die Frankfurter Journalistin Melanie Mühl hat solche Orte gesucht und gefunden: im Gebirge. Dem Alltag von Bergdörflern, Bergführen, von Tunnel- und Brückenbauern widmet sie eindringliche Reportagen; sie zeigt Menschen, die sich mit Respekt, manchmal auch mit Ehrfurcht auf die Natur einlassen. Ihr Buch beginnt mit den Sätzen: "Ich verabscheute die Berge. Als ich Kind war, fuhren wir jedes Jahr dorthin." Irgendetwas haben diese frühen Aufenthalte aber offenbar doch bewirkt: neugierig und einfühlsam erzählt Melanie Mühl aus einer Welt, die gar nicht weit weg ist, für den modernen Großstadtmenschen aber exotischer als jeder Palmenstrand, an dem er seinen Urlaub verbringt. "Menschen am Berg" - eindrucksvolle Geschichten vom Leben ganz oben!
Und wie immer Denis Schecks Parforceritt durch die aktuelle SPIEGEL-Bestsellerlliste: was lohnt sich zu lesen und was ist pure Zeitverschwendung?
Moderarion: Denis Scheck
Redaktion: Christoph Bungartz (NDR), Klaus Hensel (HR), Armin Kratzert (BR), Susanne Schettler (WDR)
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