Das Erste: "Der Geheimdiplomat Egon Bahr" am 12. März 2012, 23.30 Uhr im Ersten
München (ots)
Eine Dokumentation von Nicola Graef anlässlich des 90. Geburtstags von Egon Bahr (18. März 2012) von MDR und WDR.
Menschen wie ihn, so haben viele den Eindruck, gibt es in der deutschen Politik heute nicht mehr. Eine untergegangene "Spezies", ein wahrer "homo politicus", so wie sein Parteifreund Helmut Schmidt: meinungsfreudig, mit klarer Überzeugung, Patriot. Keiner, der seine Standpunkte an Umfrageergebnissen orientiert, keiner, der politische Visionen mit Machtstrategie verwechselt, auch keiner, der nach attraktiven Angeboten aus der Wirtschaft schielte.
Ein Leben voller Bewegung, das die Menschen bis heute fasziniert. "Tricky Egon", ein Spitzname, der seine Art, Politik zu machen, auf den Punkt bringt. Eine Mischung aus ausgeklügelter Reisediplomatie, sagenumwobenen Geheimtreffen und einer eigentümlichen Kombination aus waghalsigen Versprechungen und sehr vorsichtigen kleinen Schritten. Ein politischer Visionär, der die deutsch-deutschen Beziehungen immer im Auge hatte und früh realisierte, welche Politik nötig war, um dem Ziel Deutsche Einheit Schritt für Schritt näher kommen zu können. Ein Patriot mit Visionen und Prinzip, mit Kalkül und "Riecher". Seit Anfang der 1960er Jahre einer der wichtigsten Männer an der Seite von Willy Brandt. Die "Graue Eminenz" und der "Strippenzieher", seit 1969 unterwegs als Geheimdiplomat - mit der Lizenz zum schonungslosen Sondieren, in Ost und West. Ein Virtuose der "geheimen Drähte" und "back channels". Es ging um reale Gestaltungsräume für seine Neue Ostpolitik, die er 1963 schon auf den Nenner "Wandel durch Annäherung" gebracht hatte und er hauchte ihr mehr Leben ein, als erwartet werden konnte.
"Der Geheimdiplomat Egon Bahr" - ein Film über einen Ausnahmepolitiker. Was hatte - und hat - er, was andere nicht haben? Gibt seine Biographie darüber Aufschluss? Sind es die ganz besonderen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg und während des demokratischen Wiederaufbaus, die ihn zu einem Visionär für Deutschland gemacht haben? Ein Leben, das wechselvoll und zunächst so gar nicht zugeschnitten war auf eine klassisch durchgeplante Politikerkarriere, wie sie in der jüngeren Generation heute so üblich zu sein scheint? Suchen die Menschen deswegen bis heute so zahlreich Rat und Wegweisung bei ihm?
Nicola Graef machte sich auf die Suche nach dem "Geheimnis" von Egon Bahr, dem Politiker und dem Menschen. Blicke hinter die Pokerface-Fassade. Ein halbes Jahr lang begleitete die Autorin den nach wie vor äußerst umtriebigen "Strippenzieher". Termine gab es genug. Besonders die Begegnungen mit den Weggefährten Helmut Schmidt und Henry Kissinger erzählen eindrucksvoll von der weltgeschichtlichen Bedeutung Egon Bahrs und davon, wie "Global Player" miteinander umgehen.
Fritz Pleitgen, der den Visionär und Politiker Bahr als Journalist sehr unmittelbar erlebt hat, erinnert sich ebenso intensiv an die Sturm- und Drangzeit des Geheimdiplomaten wie Horst Teltschik, der Erbe der geheimen "Kanäle".
Erstmals ist Egon Bahr bereit, auch über seine privaten Leidenschaften zu plaudern, zusammen mit seiner Ehefrau Adelheid Bonnemann-Böhner. Auf die späte Liebe zu Egon Bahr angesprochen, lacht die Mittsiebzigerin. "Kennengelernt haben wir uns im Kontext der Politik. Dann war ich Jahre später auf Kur. Neben wem sollte ich zum Abendessen platziert werden? Egon Bahr. Ich sagte zu der Leitung des Hauses: Auf keinen Fall, neben den will ich nicht. Naja, und dann saßen wir doch nebeneinander und das änderte alles."
"Der Geheimdiplomat Egon Bahr" - das Porträt einer ebenso aktiven wie schillernden Persönlichkeit der legendären bundesrepublikanischen Politikergeneration, für die Pflichtbewusstsein, Arbeitsethos, Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit höchste Tugenden waren - Tugenden, nach denen sich heutzutage Viele im Land wieder zu sehnen scheinen.
"Der Geheimdiplomat Egon Bahr" ist eine Koproduktion von MDR und WDR. Redaktion: Katja Wildermuth und Martin Hübner (MDR), Christiane Hinz (WDR)
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