"Menschen bei Maischberger" am Dienstag, 10. März 2015, um 22.45 Uhr
München (ots)
Das Thema:
"Die Vorurteilsfalle: Gute Muslime, böser Islam?"
Obwohl sich die große Mehrheit der 4 Mio. Muslime in Deutschland an westlichen Werten (Studie der Bertelsmann-Stiftung) orientiert, haben negative Vorurteile gegenüber Muslimen in den letzten Jahren zugenommen. 57 Prozent der befragten Nicht-Muslime empfinden den Islam als Bedrohung, 61 Prozent meinen, der Islam passe nicht in die westliche Welt. Die Anschläge von Paris und Kopenhagen haben die Debatte um das Zusammenleben noch einmal verschärft. Könnte ein Islamgesetz nach dem aktuellen österreichischen Vorbild das Verhältnis entspannen?
Gäste:
Jens Spahn, CDU (Bundestagsabgeordneter) Renate Künast, B'90/Grüne (Ehem. Parteivorsitzende) Joachim Wagner (Fernseh-Journalist und Jurist) Idil Baydar (Comedian) Andreas Thiel (Kabarettist) Ender Cetin (Moscheevorstand)
Jens Spahn
"Wir sollten eine Finanzierung von Moscheen und Imamen aus dem Ausland gesetzlich unterbinden", fordert das CDU-Präsidiumsmitglied. Der Bundestagsabgeordnete kritisiert das Import-Imam-Modell von Predigern, die kein Deutsch sprechen und die Kultur nicht kennen. In einem "Zeit"-Interview befürwortete Jens Spahn kürzlich ein Burkaverbot: "Dass Frauen sich nur komplett verhüllt im öffentlichen Raum bewegen dürfen, kann ich nicht akzeptieren."
Renate Künast
Die frühere Bundesministerin wirbt für Deutschland als multikulturelle Demokratie: "Die vier Millionen lebenden Menschen muslimischer Herkunft stellen fünf Prozent der Bevölkerung dar. Sie und ihre Religion sind selbstverständlich Teil dieses Landes, der Kultur und Gesellschaft." In der Konsequenz fordern die Grünen die gleichen Rechte für Muslime und ihre Organisationen in Deutschland, wie sie für Christen und Juden gelten.
Joachim Wagner
"Imame in Deutschland wenden die Scharia an und gefährden unseren Rechtsstaat durch islamische Paralleljustiz", stellte der langjährige Leiter des ARD-Magazins "Panorama" und ARD-Hauptstadtkorrespondent in seinem Buch "Richter ohne Gesetz" fest. In Regionen mit hohem muslimischem Bevölkerungsanteil sei eine Art Schattenjustiz entstanden, die gegen Polizei und Strafverfolgungsbehörden arbeite und im Gegensatz zu Ehrenmord und Blutrache noch wenig bekannt sei.
Idil Baydar
Mit ihrer Kunstfigur "Jilet Ayse", der "Ghettobraut aus Neukölln", wurde die Schauspielerin zum gefeierten Youtube-Star. Als Tochter türkischer Eltern wuchs Idil Baydar im niedersächsischen Celle auf. Ihre Herkunft spielte nie eine Rolle, bis sie mit 15 Jahren nach Berlin zog: "Ich musste plötzlich erklären, dass nicht alle Türken ihre Frauen schlagen, selbst wenn diese ein Kopftuch tragen." Die frühere Sozialpädagogin, u.a. an der Berliner Rütli-Schule, kritisiert die Benachteiligung vieler junger Muslime im Alltag.
Andreas Thiel
Nach den Anschlägen auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" in Paris fanden seine Vorstellungen unter Polizeischutz statt. Andreas Thiel erklärte damals, dass er sich nicht einschüchtern lasse. Der Gewinner des Deutschen Kabarettpreise 2013 hatte mit einer "Streitschrift" zum Koran für Aufregung in der Schweiz gesorgt. In dem Text bezeichnete der Satiriker den Koran als "Aufruf zur Gewalt und Anleitung für Krieg und Unterdrückung" und erntete dafür neben heftiger Kritik auch Morddrohungen. "Wie das Christentum hat auch der Islam eine Reformation nötig", glaubt Thiel, der sich selbst einen Anarcholiberalen nennt.
Ender Cetin
"Wir Muslime werden derzeit nur mit Terror und Gewalt in Verbindung gebracht", beklagt der in Berlin geborene Politologe und Theologe. Der 38-Jährige Vorsitzende der Berliner Sehitlik-Gemeinde warnt vor wachsendem Misstrauen gegenüber dem Islam. Er will Vorurteile bekämpfen, z.B. dass der Islam frauenfeindlich sei. Ender Cetin ist sich sicher, dass radikalisierte Jugendliche eine Vorgeschichte mit kriminellen oder familiären Problemen haben. Ursächlich für die Gewaltbereitschaft sei nicht der Islam. Redaktion: Klaus Michael Heinz (WDR)
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