"ttt - titel thesen temperamente" (MDR) am Sonntag, 20. März 2016, um 23:40 Uhr
München (ots)
Sondersendung von der Leipziger Buchmesse
Der Goldene Handschuh - Heinz Strunk
Heinz Strunk erzählt davon, wie jemand zum Mörder wird. Der Autor von "Fleisch ist mein Gemüse" und anderen Bestsellern, Mitglied des komischen Trios "Studio Braun" hat den Stoff zu seinem neuen Roman in einer Kneipe auf St. Pauli aufgelesen. "Der Goldene Handschuh" ist das Psychogramm des Serienmörders Fritz Honka, der in den 1970ern in Hamburg mehrere Frauen tötete, ihre Körper zerstückelte und die Leichen in seiner Wohnung verstaute. Mit großem Einfühlungsvermögen porträtiert Strunk diesen durch eine grausame Jugend geistig und körperlich gebrochenen Mann aus der untersten Unterschicht. Er begleitet Honka in die Absturzkneipe "Zum Goldenen Handschuh", eine moderne Vorhölle der Verlierer, die in brutalem Suff die eigene Existenz vernichten. Autor: Rayk Wieland
Gila Lustigers Essay "Erschütterung" über die Folgen des Pariser Terrors Gila Lustiger ist deutsche Schriftstellerin und lebt seit 30 Jahren in Paris. Die jüngste Eskalation des Terrors 2015 hat sie miterlebt, und sie hat ihr auch, nachdem die Opfer längst aus den Medien verschwunden sind, keine Ruhe gelassen: "Erschütterung" nennt sie das Gefühl, das sie nun in einem Essay literarisch und politisch analysiert. Lustiger geht darin sehr persönlichen Fragestellungen nach, die aber gleichzeitig einen entlarvenden Blick auf die Verfilzungen und ungelösten Probleme Frankreichs werfen, das in einem Dauer-Ausnahmezustand versunken ist.
Lustiger, 1963 in Frankfurt als Tochter des jüdischen Historikers Arno Lustiger geboren, hatte bereits in ihrem letzten Bestseller-Roman "Die Schuld der anderen" Frankreich "von unten" recherchiert: Weil sie ihre Wahlheimat Frankreich mit dem rasanten Aufstieg Marine Le Pens nicht mehr verstand, hatte Lustiger zwei Jahre lang in den Provinzen und den Banlieues französischer Großstädte recherchiert. In ihrem Essay versucht sie nun nachzuvollziehen, was so viele junge Menschen anfällig macht für Terror. Der "sprachlose Mob", die Jugendlichen, die nie aus den Trabantenstädten heraus kamen und 2005 die Banlieues in Brand setzten, rebellierten ohne Worte. Gila Lustigers Buch ist ein lautes Nachdenken darüber, was die Attentate mit Paris bewirkt haben und appelliert an die Raison: "Man möchte verstummen. Und dennoch muss weiter gedacht werden". Autorin: Brigitte Kleine
Autobiografie von Tom Jones - "Over the top and back" Mit zwölf sperrt ihn die Tuberkulose zwei Jahre lang in ein dunkles Zimmer. Die Krankheit ist der Kern, der Urantrieb, der den Arbeitersohn Tom Jones aus einer walisischen Kleinstadt den Himmel des Popgeschäfts erstürmen lässt. Wo immer er mit Hüftschwung seine Nummer-1-Hits swingt, werfen die Frauen Unterwäsche nach ihm. Elvis singt ihm in Las Vegas in der Dusche vor, vergisst seine Pistole am Klo und schenkt ihm eine Walther PKK. Mit 60 schafft der "Tiger" Jones mit "Reload" ein sensationelles Comeback und wird noch einmal zur "Sexbomb" auf den Dancefloors. Wie er die davorliegenden, düsteren Jahre in zweitklassigen Casinos überlebte, wie die Ehe mit seiner Jugendliebe Linda ein Leben lang hielt und wie er dabei immer Kraft aus der Tuberkulose-Erfahrung zog, das schildert er jetzt in seiner Autobiographie "Over the top and back". Autor: Norbert Kron/Lutz Pehnert
Heinrich August Winkler - Die Geschichte des Westens Geschichte solle nicht klug machen für Kommendes, sondern weise für immer. Dies ist das Credo des Historikers Heinrich August Winkler. Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung geht in diesem Jahr an den Berliner Historiker und dies ausgerechnet in einem historischen Moment, in dem Europa zerstritten ist und in Deutschland nach dem Wahlerfolg der AFD eine Polarisierung der Gesellschaft droht. Im Gespräch mit "ttt" plädiert Winkler für den selbstkritischen Umgang mit den Werten des Westens, die er trotz aller Bedrohung von außen und innen für unschlagbar hält. In seinem gerade erschienenen vierten Band der "Geschichte des Westens - Die Zeit der Gegenwart, gelingt dem Historiker eine Mut machende Standortbestimmung in einer nicht friedlichen Zeit. Autor: Andreas Lueg
Moderation: Max Moor
Redaktion: Matthias Morgenthaler/ Jens-Uwe Korsowsky (MDR)
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