Das Erste
MAISCHBERGER am Mittwoch, 20. April 2016, 23:15 Uhr
München (ots)
Das Thema: "Staatsaffäre Böhmermann: Diktiert Erdogan Merkels Kurs?"
Eine Satire wird zum politischen Krisenfall mit offenem Ende: In der Bundesregierung drückte Angela Merkel jetzt ihr Votum für Ermittlungen im Fall Jan Böhmermann gegen den Widerstand der SPD durch. In der Bevölkerung ist die Bundeskanzlerin laut Umfragen völlig isoliert. Mit Spannung wird deshalb ihre Reise in die Türkei am kommenden Wochenende erwartet. Wird Angela Merkel sich trauen, mit deutlichen Worten gegenüber Staatschef Erdogan die Presse- und Kunstfreiheit zu verteidigen?
Die Gäste: Jürgen Trittin, B'90/Grüne (ehemaliger Bundesminister) Stephan Mayer, CSU (Innenpolitischer Sprecher Unionsfraktion) Idil Baydar (Kabarettistin) Ralf Höcker (Medienanwalt) Ozan Ceyhun (türkischer AKP-Politiker)
Jürgen Trittin / "Mit der Zulassung des Strafverfahrens gegen Böhmermann hat Angela Merkel eine Grenze überschritten", sagt der grüne Außenpolitiker. Der türkische Präsident wolle seiner Bevölkerung demonstrieren: "Seht ihr, was ich bei uns mache, nämlich kritische Journalisten zu verfolgen, kann ich auch im Ausland." Die Bundesregierung mache sich den Strafantrag eines autokratischen Herrschers zu eigen. "Denn sie hat Angst, sonst von Erdogan nicht zu bekommen, was sie sich in der Flüchtlingspolitik erhofft", meint der frühere Bundesminister.
Stephan Mayer / Der CSU-Innenpolitiker verteidigt die Kanzlerin gegen die Vorwürfe, sie habe mit ihrer Zulassung des Strafverfahrens die guten Beziehungen zu Erdogans Türkei vor die Kunst- und Pressefreiheit gestellt. "Die Entscheidung von Angela Merkel ist keine Lex Erdogan." Der Jurist warnt zudem vor einer Abschaffung des Paragrafen 103 des Strafgesetzbuches. "Wir sollten uns grundsätzlich davor hüten, auf Grund eines Einzelfalles gleich gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu reklamieren."
Idil Baydar / "Es sind alle Klischees aufgeführt, mit denen wir als Türken schon betitelt wurden: Ob Ziegenficker, ob Unterdrückte, ob Frauenschläger", sagt die deutsch-türkische Kabarettistin über Böhmermanns Schmähgedicht. Trotzdem sei der Text ein Geschenk. "So leidenschaftlich ist in Deutschland schon lange nicht mehr über Meinungsfreiheit diskutiert worden", freut sich der Youtube-Star. Der eigentliche Skandal sei nicht, dass Erdogan versuche, Einfluss auf die Pressefreiheit in Deutschland zu nehmen, sondern dass Kanzlerin Merkel dies aus politischem Opportunismus zulasse.
Ralf Höcker / "Böhmermann hat eine Beleidigungsorgie zelebriert und damit die Grenze der zulässigen Satire überschritten", sagt der Jurist. Er hält es für wahrscheinlich, dass der Moderator vor Gericht verurteilt wird. Der Medienanwalt unterstützt Angela Merkels Entscheidung, das Strafverfahren gegen Böhmermann zuzulassen. "Damit hat sie nicht in der Sache entschieden, sondern nur dafür gesorgt, dass die Justiz entscheidet. Das ist der Regelfall. Es ist völlig unsinnig, der Kanzlerin ein Einknicken vor der Türkei vorzuwerfen."
Ozan Ceyhun / Der Berater der Regierungspartei von Staatschef Erdogan verurteilt Jan Böhmermanns Gedicht scharf: "Diese hasserfüllten Worte können von keinem demokratischen Staat akzeptiert werden." Er sieht die Würde der Türken durch die Äußerungen verletzt. Dass der Fernsehmoderator von vielen Deutschen unterstützt wird, kann der ehemalige SPD-Europaabgeordnete nicht nachvollziehen: "Wenn respektlose und unangebrachte Äußerungen verteidigt werden, nur weil sie gegen Erdogan gerichtet sind, ist das eine Schande."
"Maischberger" ist eine Gemeinschaftsproduktion der ARD, hergestellt vom WDR in Zusammenarbeit mit der Vincent TV GmbH. Im Internet unter www.DasErste.de/maischberger
Redaktion: Elke Maar (WDR)
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