Das Erste: "Maischberger" am Mittwoch, 5. Oktober 2016, um 22:45 Uhr
München (ots)
Das Thema:
Pleite für die Populisten - Sieg für Merkels Europa?
Die EU-weite Genugtuung über die Niederlage Viktor Orbáns bei dem ungarischen Referendum darf nicht darüber hinwegtäuschen: Die Flüchtlingskrise bleibt ein Spaltpilz in Deutschland und Europa. Und das, obwohl der deutsche Innenminister Thomas de Maizière jetzt die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge, die letztes Jahr kamen, deutlich nach unten korrigiert hat. Haben uns die Populisten in Deutschland, Frankreich oder Österreich mit ihrer Panikmache ins Bockshorn gejagt? Zeigt sich jetzt, dass Merkels Flüchtlingspolitik viel weitsichtiger war als alle Untergangsszenarien?
Die Gäste: Lea Rosh (Journalistin) Anton Hofreiter, B'90/Grüne (Fraktionsvorsitzender) Beatrix von Storch, AfD (stellvertretende Parteivorsitzende) Jean Asselborn (Außenminister Luxemburgs) Gergely Pröhle (ungarischer Diplomat) Lea Rosh "Nur Angela Merkel kann Europa zusammenhalten", glaubt die langjährige Fernsehmoderatorin. Ein Zerbrechen der EU wäre in ihren Augen eine Katastrophe. Mit großer Sorge sieht Lea Rosh die Haltung vieler osteuropäischer Länder in der Flüchtlingsfrage: "Es ist furchtbar, was dort passiert. Aber rausschmeißen kann man sie nicht, das wäre tatsächlich das Ende der EU." Volksabstimmungen wie in Ungarn lehnt die Journalistin ab. "Dafür sind unsere Parlamente da. Es wäre in einzelnen Punkten schrecklich, was durch Volksabstimmungen durchgesetzt werden könnte." Anton Hofreiter "Wir müssen für ein offenes und solidarisches Europa streiten und gegen die nationalen Egoismen und den Rechtsruck kämpfen", fordert der Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Dass Orbáns "aggressive Kampagne gegen Flüchtlinge und Migranten" nicht genügend Ungarn überzeugen konnte, lasse hoffen, so Anton Hofreiter. Obwohl er die Gefahr sieht, "dass direkte Demokratie auch für menschenverachtende Hetze und Diskriminierung benutzt werden kann", setzt sich der grüne Spitzenpolitiker für Volkentscheide auf Bundesebene ein. Beatrix von Storch Die Europaabgeordnete hält das Ungarn-Referendum nicht für gescheitert: "98 Prozent haben zugestimmt. Dieses Ergebnis eine Niederlage zu nennen, ist erstaunlich." Die stellvertretende Parteivorsitzende befürwortet Orbáns Kurs, kritisiert die europäische Einmischung in die nationalstaatliche Souveränität und fordert auch in der Bundesrepublik ein Referendum. "Den Deutschen sollte die Möglichkeit gegeben werden, über ihren Verbleib in der EU und Eurozone abzustimmen. Das ist Demokratie", sagt Beatrix von Storch. Jean Asselborn Der überzeugte Europäer forderte vor dem Referendum den EU-Ausschluss Ungarns, sollte sich eine Mehrheit gegen die Verteilung von Flüchtlingen aussprechen. Der luxemburgische Außenminister wirft Ministerpräsidenten Orbán massive Verletzung von Grundwerten vor. Ungarn sei nicht weit entfernt vom Schießbefehl gegen Flüchtlinge und behandle Menschen "fast schlimmer als wilde Tiere", so Jean Asselborn. Jetzt habe das ungarische Volk sich europäischer als seine Regierung gezeigt. Trotzdem hält der sozialdemokratische Politiker nichts von Referenden: "Wenn man Europa kaputt machen will, braucht man nur mehr Referenden zu veranstalten." Gergely Pröhle "Das Ergebnis der Volksbefragung in Ungarn ist keineswegs eine Sympathiebekundung für Angela Merkels Flüchtlingspolitik", sagt der ehemalige ungarische Botschafter in Deutschland. Zwar sei das Referendum wegen der geringen Wahlbeteiligung ungültig, doch die Stimmung im Land habe sich nicht geändert: "Masseneinwanderung ist für uns Ungarn nicht akzeptabel", erklärt der Diplomat. Die Mehrheit seiner Landsleute fürchte, dass die ungarische Gesellschaft so aus dem Gleichgewicht gerate.
"Maischberger" ist eine Gemeinschaftsproduktion der ARD, hergestellt vom WDR in Zusammenarbeit mit der Vincent TV GmbH. Im Internet unter www.DasErste.de/maischberger
Redaktion: Elke Maar (WDR)
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