"Geheimsache Doping - Der Herr der Heber" am 5. Januar 2020, 18:45 Uhr im Ersten
Gewichtheber-Präsident Ajan droht Strafverfolgung - Star-Heberin gibt Einblicke in Dopingsystem
München (ots)
Dem einflussreichen Präsidenten des Gewichtheber-Weltverbandes IWF, Tamas Ajan, drohen nach den jüngsten Recherchen der ARD-Dopingredaktion strafrechtliche Konsequenzen. Im Zuge der Ausstrahlung der Dokumentation "Geheimsache Doping - Der Herr der Heber" am kommenden Sonntag, 18:45 Uhr im Ersten könnte auch eine Star-Gewichtheberin aus Thailand ihre Olympia-Medaille verlieren. Rattikan Gulnoi, Bronze-Gewinnerin von London 2012, lieferte einem Undercover-Team der ARD unfreiwillig erschütternde Einblicke in die Abgründe des dopingverseuchten Sports.
"Ich war 18. Im Jahr 2011.", sagte sie auf die Frage der ARD-Reporter, wann sie mit dem Dopen begonnen habe. Die versteckte Kamera nahm Aussagen auf, wie sie von einer olympischen Medaillengewinnerin noch nie öffentlich geworden sind. Sie habe Anabolika genommen, "damit mein Körper länger durchhält. Darum konnte ich so lange im Nationalteam starten." 2014 wurde Gulnoi Weltmeisterin.
Das Doping habe Nebenwirkungen verursacht, sagte Gulnoi. Als sie die Mittel nahm, habe sie "einen Kiefer wie ein Mann und einen Schnurrbart" gehabt. Die Verantwortlichen im Verband hätten sich nicht um die Gesundheit der Athleten geschert. "Die Sportler sollen nur Medaillen holen, schon die Jugendlichen", sagte sie. Die Jüngsten hätten bereits "mit 13, in nationalen Wettbewerben" angefangen zu dopen - Gulnoi berichtet damit über Kinderdoping in Thailand. In London 2012 wurde sie während des olympischen Wettkampfes von Intarat Yodbangtoey betreut, der heute Vizepräsident des Weltverbandes IWF und Stellvertreter Ajans ist.
Der 80 Jahre alte Ungar Ajan, der seit 50 Jahren leitende Positionen in der IWF bekleidet und Ehrenmitglied des IOC ist, steht im Zentrum weiterer undurchsichtiger Vorgänge, die die ARD-Dopingredaktion beleuchtet hat. Mindestens einer davon könnte für ihn rechtliche Folgen haben.
Hintergrund sind Zahlungen des Internationalen Olympischen Komitees IOC. Wie jeder andere Weltsportverband erhält auch die IWF von der Dachorganisation Geld aus den olympischen Vermarktungsgewinnen. Über einen Zeitraum von 17 Jahren seit 1992 flossen mehr als 23 Millionen Dollar auf zwei Schweizer IWF-Bankkonten, die allerdings in den Verbandsbilanzen nicht aufgeführt waren. Für diese Konten war, als sie im Jahr 2009 entdeckt wurden, allein Ajan zeichnungsberechtigt. Nach ARD-Recherchen konnte Ajan den Verbleib von mindestens 5,5 Millionen Dollar nicht erklären.
Die ARD-Dopingredaktion ließ alle vorliegenden Dokumente zu diesem Fall von Mark Pieth überprüfen, einem Professor für Strafrecht an der Universität Basel. Bei Ajan und der IWF, die ihren Geschäftssitz in Lausanne hat und demnach Schweizer Recht unterliegt, sieht er in seinem Gutachten den Anfangsverdacht für drei Straftaten als gegeben an: Falsch-Beurkundung, ungetreue Geschäftsbesorgung und Veruntreuung. Es handelt sich einem Kurzgutachten Pieths zufolge um Tatbestände, die Freiheitsstrafe nach sich ziehen können. Keines der möglicherweise vorliegenden Delikte sei verjährt. Zudem handele es sich um Offizialdelikte, das heißt, sie müssen von der Staatsanwaltschaft auch ohne Anzeige verfolgt werden.
Pieth war Chef der Reformkommission des Fußball-Weltverbandes FIFA, dem er Korruption und Intransparenz attestierte. Zum IWF-Fall sagt er: "Das, was ich hier gesehen habe, erscheint mir doch sehr, sehr dreist. Dreister als das, was ich bei der FIFA gesehen habe."
Der ARD-Dopingredaktion liegen darüber hinaus Hinweise vor, dass von der IWF beauftragte Dopingkontrolleure - womöglich der ungarischen Anti-Doping-Agentur HUNADO, die im Regelfall im Auftrag des Weltverbandes tätig war - Geld als Gegenleistung für das Akzeptieren manipulierter Dopingproben angenommen haben. Zudem gab es mehrere Fälle, in denen des Dopings überführte Gewichtheber monatelang weiter zu Wettkämpfen antreten durften, bevor eine Sperre in Kraft trat. In zahlreichen Ländern, so die Recherchen, ließ die IWF wenige oder gar keine Dopingtests durchführen.
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