Das Erste
"Wickerts Bücher" startet mit einem Gespräch mit dem deutschen Literaturnobelpreisträger Günter Grass am Donnerstag, 17. August, um 22.45 Uhr
München (ots)
Nach dem großen Wirbel, den Grass' spätes Geständnis in den Medien ausgelöst hat, spricht Ulrich Wickert in einem ersten Fernsehinterview mit dem Autor. Das Interview wurde am gestrigen Dienstag in Dänemark auf der Insel Moen aufgezeichnet. Aus aktuellem Anlass wird die Premiere der neuen Büchersendung "Wickerts Bücher" im Ersten auf morgen, Donnerstag, 17. August, um 22.45 Uhr (VPS 22.44) vorgezogen.
Vorab Zitate von Günter Grass aus dem Gespräch mit Ulrich Wickert im Wortlaut:
Zur Frage, warum Günter Grass erst jetzt seine Zugehörigkeit zur Waffen-SS thematisiert habe:
"Das lag bei mir begraben. Ich kann die Gründe auch nicht genau nennen. Es hat mich immer beschäftigt, es war mir immer präsent und ich war der Meinung, dass das, was ich tat, als Schriftsteller, als Bürger dieses Landes, was all das Gegenteil dessen bedeutete, was mich in meinen jungen Jahren während der Nazi-Zeit geprägt hat, dass das ausreicht. Ich war mir auch keiner Schuld bewusst; ich bin zur Waffen-SS gezogen worden, war an keinem Verbrechen beteiligt, hatte aber immer das Bedürfnis, eines Tages darüber in einem größeren Zusammenhang zu berichten. Und das hat sich jetzt erst ergeben, indem ich meine inneren Widerstände überwunden habe, überhaupt autobiografisch zu schreiben und diese meine jungen Jahre zum Thema gemacht habe. Es reicht von meinem zwölften Lebensjahr bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr. Und in diesem größeren Zusammenhang konnte ich offen darüber sprechen."
Zur Kritik der Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, Grass' Bekenntnis führe seine früheren Reden und Äußerungen ad absurdum:
"Was Frau Knobloch dazu sagt, das ist ihr gutes Recht. Ich will auch nicht in Zweifel stellen, dass man das durchaus kritisieren kann, dass ich erst jetzt darüber öffentlich spreche. Aber es ist auch mein gutes Recht, die Gründe dafür zu nennen, wie ich es getan habe - diese Gründe mögen für manche unzureichend sein. Im übrigen kann ich nur darauf hoffen, dass Frau Knobloch die Zeit findet, mein Buch zu lesen, denn innerhalb dieses Zeitraums, den ich schildere - meine jungen Jahre - spielt das Thema Waffen-SS zwar eine Rolle, aber die weit kritischeren Fragen stelle ich mir in einem ganz anderen Zusammenhang. Dass ich zum Beispiel in meiner Verblendung als Jungvolk-Hitlerjunge zu bestimmten Situationen im engeren Kreis, auch zum Beispiel im Familienkreis, nicht Fragen gestellt habe, nicht die richtigen Fragen gestellt habe."
Zur Forderung polnischer Politiker wie Lech Walesa, Grass möge die Ehrenbürgerwürde der Stadt Danzig zurückgeben:
"Ich glaube, dass ich diese Ehrenbürgerwürde damals angetragen bekommen habe, weil ich in meinen Büchern und auch in meinem politischen Bestrebungen als Bürger meines Landes zu einem sehr frühen Zeitpunkt für den Brückenschlag zwischen Deutschen und Polen gewesen bin, für Verständigung, für ein beginnendes Gespräch unter damals sehr schwierigen Umständen, zur Zeit des Kommunismus in Polen. Die Frage der Rückgabe muss der Stadtpräsident entscheiden. Ich müsste jede Entscheidung, die in eine Richtung geht, wie Lech Walesa sie vorgeschlagen hat, akzeptieren, aber ich sehe von mir aus keinen Grund, diese Ehre zurückzuweisen."
"Wickerts Bücher" ist eine Koproduktion des NDR, WDR und BR für Das Erste. Die Redaktion haben Dr. Christoph Bungartz (NDR), Michael Hirz (WDR) und Armin Kratzert (BR).
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