ARD-Exclusiv: Zu Tode gespart? - Verlierer und Gewinner im Gesundheitspoker
München (ots)
am 18. Oktober 2006 um 21.45 Uhr im Ersten
Es ist eine äußerst seltene Begegnung: Reinhold Nowak, ein todkranker Patient, trifft Rainer Hess, den Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenversicherungen. Für Reinhold Nowak ist dieses Treffen von existenzieller Bedeutung. Der 49jährige leidet an einem Gehirntumor, der als unheilbar gilt. Aber eine Therapie, von der gleich mehrere Krebsspezialisten sicher sind, dass sie sein Leben verlängern kann, will seine Krankenkasse nicht bezahlen. Das Statement des Spitzenfunktionärs zu seinem Fall macht ihn sprachlos: "Wenn sie mal die generelle Situation in Deutschland nehmen, dann haben wir ein hervorragendes Gesundheitssystem. Dass da einzelne durch den Rost fallen können und dass sie immer einzelne finden können, wo das der Fall ist, das mag ja so sein."
Wie viel zählt ein einzelnes Patientenleben im deutschen Gesundheitssystem? Mehrere Wochen lang hat ARD-Reporter Georg Restle mit seinem Kamerateam den Sterbenskranken auf seinem Weg durch die Gesundheitsbürokratie begleitet. Es sind ungewöhnliche Begegnungen mit Kassenfunktionären, die Patienten sonst nur aus Akten kennen und die vor allem eines im Blick haben: die Kosten im Gesundheitssystem. Ob Krankenkasse, Medizinischer Dienst oder Gemeinsamer Bundesausschuss: Reinhold Nowak empfindet das gesetzliche Gesundheitssystem als ein Kartell der Verweigerer, in dem der einzelne Patient fast nur noch ein Kostenfaktor zu sein scheint.
Was läuft falsch im System? Georg Restle und sein Team machen sich auf Spurensuche: Bekommen Patienten wie Reinhold Nowak zu wenig, weil andere zu viel wollen? Wo bleibt eigentlich das ganze Geld, das die Patienten in stetig wachsenden Summen einzahlen? Gibt es außer Verlierern auch Gewinner im Gesundheitspoker?
Dem Autor Georg Restle kommt bei dieser Reportage eine besondere Rolle zu: bei aller journalistischen Distanz wird er zum Anwalt der Patienten, deren Fälle er schildert. Er dringt - zum Teil mit den Hauptfiguren seiner Handlung - tief ins Dickicht des deutschen Gesundheitssystems ein. Dorthin, wo Patienten, wenn sie auf sich selbst gestellt sind, nie vordringen. Im Sinne der Kranken konfrontiert ARD-Reporter Restle Krankenversicherungen, Ärztefunktionäre und Pharma-Lobbyisten mit unbequemen Fragen: Warum steigen die Zahl und der Verdienst von Fachärzten stetig an, obwohl es längst eine Überversorgung im Land gibt? Warum machen Pharma-Unternehmen immer noch Rekordgewinne, obwohl seit Jahren überall gespart werden soll? Und warum verweigern Krankenversicherungen Behandlungen, die nachweislich helfen können?
Die Antworten der Funktionäre überraschen und zeigen: Im System der Besitzstandswahrer gibt es sehr wohl Gewinner - die einzigen Verlierer scheinen ausgerechnet die Patienten zu sein. Ausgerechnet die, die das System bezahlen. Daran, so das ernüchternde Fazit des Films, dürfte sich auch nach der jüngsten Gesundheitsreform wenig ändern.
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