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Interview mit dem Regisseur Jorgo Papavassiliou
("Liebe unter Verdacht", 26.11.2002, 20.15 Uhr)

Berlin (ots)

In "Liebe unter Verdacht" geht es um den Tod eines
Rabbiners. Wie haben Sie sich auf das Thema Judentum vorbereitet?
Zur Vorbereitung habe ich intensiv Bücher gelesen und mich immer
wieder mit dem Autor Tim Krause, der eine jüdische Mutter hat,
unterhalten. Außerdem hatte ich ständig Kontakt zur jüdischen
Gemeinde.
Wie lange dauerte die Vorbereitung?
Gut war, dass ich das Drehbuch schon Ende 1999 bekommen habe, ich
war damals gleich fasziniert. Das Buch ging mir nicht mehr aus dem
Kopf, obwohl es gar nicht sicher war, ob es mal verfilmt wird. Als
wir dann das Okay bekamen, habe ich mich ein halbes Jahr intensiv
darum gekümmert. Gedreht haben wir 27 Tage.
Das ist nicht lange.
Fürs Fernsehen ist das gut, im mittleren Bereich. Wir waren sehr
gut vorbereitet: derart intensives Drehbuchlesen, Proben, Maske,
Kostüme, viele Gespräche mit den Schauspielern und wieder
Drehbucharbeit - das ist normalerweise nicht üblich. Dazu haben wir
alle Actionsequenzen mit mehreren Units (parallele Kamerateams)
gedreht.
Wenn Sie ein Drehbuch lesen, haben Sie gleich Schauspieler im
Kopf, die Sie besetzen möchten?
Unbedingt! Für die männliche Hauptrolle standen nur zwei im Raum:
Tobias Moretti und Max Tidof - Redaktion, Produktion und Regie waren
da einer Meinung - das ist auch relativ selten. Und für die weibliche
Hauptrolle war schon im April 2001 klar: Natalia Wörner und keine
andere. Es ging eigentlich nur noch darum, ob Moretti und Tidof Zeit
hatten. Beide waren Wunschbesetzungen: Moretti hatte keine Zeit.
Der Film dreht sich um einen alten Rabbiner, der seinen Sohn
bittet, ihn zu töten, damit er von seinen Sünden 'reingewaschen wird.
Kann man das so formulieren?
Reinwaschen gibt es im Jüdischen nicht - keine Absolution. Man
kann Sünden nur durch gute Taten begegnen. Der Vater hat 40 Jahre
nach seinem Verrat gute Taten für andere Menschen vollbracht und Buße
getan. Das Problem ist, dass er nicht den Freitod wählen kann, weil
das eine Todsünde ist, er könnte dann nicht mal neben seiner Frau
beerdigt werden.
Belastet er damit nicht seinen Sohn zu sehr?
Es gibt drei maßgebliche Schriften: der Talmud, die Thora und die
Halacha, und es gibt einen Spruch, den die Juden selbst sagen: Zwei
jüdische Gelehrte - drei Meinungen. Es gibt Gelehrte in Israel, die
die Schriften ganz anders als die Chassiden in New York oder die
orthodoxen Juden in Russland interpretieren. Es ist Definitionssache,
und es wird nie geklärt werden, ob Max Tidof - der Sohn - einen Mord
begangen hat. Für manche hat er einen Mord begangen, für andere hat
er es nicht. Im Film fragt Tidof ja auch: "Darf ich das?" und der
Vater antwortet: "Ich gebe Gott nur den Körper zurück, den er mir
geliehen hat".
Sie haben auch bei "Eva Blond" Regie geführt - ein ebenso
anspruchsvoller Krimi - eigentlich viel mehr. Was ist "Liebe unter
Verdacht" noch - aus Ihrer Sicht?
"Liebe unter Verdacht" ist für mich nicht nur ein Krimi - Krimi
ist die Hülle. Die Liebesgeschichte zwischen Natalia Wörner und Max
Tidof zu erzählen, ist der wahre Kern. Eva Bartoc durchläuft eine
Prüfung - ihr Partner wurde ja erschossen - sie muss mit ihrem Hass
fertig werden, und nur die Liebe kann den Hass besiegen. Die Spannung
drumrum - man kann lernen sie aufzubauen, aber eine Liebe erzählen,
kann man nicht lernen. Dazu gehört ein gutes Buch, herausragende
Darsteller, ein immenses Vertrauen der Redaktion und des Produzenten
und nicht zuletzt die Inszenierung - das ist geglückt, und darauf bin
ich stolz.
Wie war Ihr Werdegang?
Es war ein langer Weg: Ich bin mit meinen Eltern im Alter von vier
Jahren von Griechenland nach Deutschland gekommen. Wir sind dann für
einige Zeit nach New York umgezogen und dann wieder zurück nach
Deutschland, nach Welzheim bei Stuttgart, gegangen. 1986 bin ich dann
nochmal in die USA gefahren - als Austauschschüler für ein Jahr.
Zurück in Deutschland habe ich dann Abitur gemacht und bin 1990 nach
München gewechselt, um Medienwissenschaft zu studieren - bis zum
Vordiplom Ende 1992. 1993 kam die Filmakademie, und nach dem Diplom
bin ich 1998 nach Berlin gegangen.
Und wie sind Sie entdeckt worden?
Ich hatte viel Glück. Mein Abschluss fiel in die Zeit des
Börsenhypes, RTL verlor die Championsleague an TM3 für ein Jahr, so
dass man zusätzliche Sendeplätze füllen musste. Ich hatte zum Glück
einen guten Diplomfilm gemacht, einen 60-minütigen Thriller, den ich
im Rahmen der regelmäßigen Veranstaltungen in der Akademie (zweimal
im Jahr werden Produzenten, Verleiher, Redakteure usw. eingeladen)
zeigen konnte und bin sofort angesprochen worden. Meinen ersten Film
habe ich dann für RTL gedreht. 1999 und 2000 wurde sehr viel gedreht,
es gab noch keine Krise, und ich konnte viel ausprobieren.
Was tun Sie, wenn Sie nicht drehen? Bleibt noch Zeit fürs
Privatleben?
Ja, meine Freundin war jetzt die ganze Zeit mit am Set. Und ich
bin so oft es geht in Griechenland bei meinen Eltern und meinem
Bruder. Mein Freundeskreis besteht zu 90 % aus Schauspielern - sie
leben zum größten Teil in Berlin oder drehen mit mir - das ist aber
keine Vetternwirtschaft.
Welches Projekt steht zurzeit an?
Zurzeit drehe ich auf Malta einen Gladiatorenfilm.
Interview: Anke Walter
Anke Walter
Sat.1 Kommunikation/PR
Telefon 030-2090-2363 / Fax 030-2090-2399
e-mail  anke.walter@sat1.de
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